Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

sie herab und war entzückt, wie eine solche Schön-
heit, eine solche Jugend mir am Herzen ruhte.

Caton kam mit Cäcilien.

Wir setzten uns nieder unter einem schlanken,
von Epheuranken umschlung'nen Thurm.

Caton war ungewöhnlich heiter und sagte end-
lich: Wir wollen, liebe Kinder, über Unsterblich-
keit sprechen. Auf dieser Höhe, wo wir nichts mehr
über uns sehen, als den blauen Himmel, in dem
die ungeheuren Welten des Schöpfers schwimmen,
fühlen wir uns freyer und voller, und es ist als
ob der luftiggewobene Schleyer um unsere Seele
sich hinanhöbe in weiten, fließenden Falten.

Atalanta soll bestimmen, wer sprechen soll!

Sie saß zu meiner Seite und blickte mich lie-
bevoll an. Caton rief: Ja, Phaethon soll uns für
Unsterblichkeit sprechen.

Nun denn, wenn ihr so wollt, so erfüll' ich
euern Wunsch, erwiedert' ich. Aber ihr müßt mir
vergeben, wenn ich meinen Worten zuweilen einen
höhern Schwung leihe, wenn ich in Bildern spre-
che. Denn ich glaube, so will es der Gegenstand.

ſie herab und war entzuͤckt, wie eine ſolche Schoͤn-
heit, eine ſolche Jugend mir am Herzen ruhte.

Caton kam mit Caͤcilien.

Wir ſetzten uns nieder unter einem ſchlanken,
von Epheuranken umſchlung’nen Thurm.

Caton war ungewoͤhnlich heiter und ſagte end-
lich: Wir wollen, liebe Kinder, uͤber Unſterblich-
keit ſprechen. Auf dieſer Hoͤhe, wo wir nichts mehr
uͤber uns ſehen, als den blauen Himmel, in dem
die ungeheuren Welten des Schoͤpfers ſchwimmen,
fuͤhlen wir uns freyer und voller, und es iſt als
ob der luftiggewobene Schleyer um unſere Seele
ſich hinanhoͤbe in weiten, fließenden Falten.

Atalanta ſoll beſtimmen, wer ſprechen ſoll!

Sie ſaß zu meiner Seite und blickte mich lie-
bevoll an. Caton rief: Ja, Phaethon ſoll uns fuͤr
Unſterblichkeit ſprechen.

Nun denn, wenn ihr ſo wollt, ſo erfuͤll’ ich
euern Wunſch, erwiedert’ ich. Aber ihr muͤßt mir
vergeben, wenn ich meinen Worten zuweilen einen
hoͤhern Schwung leihe, wenn ich in Bildern ſpre-
che. Denn ich glaube, ſo will es der Gegenſtand.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0052" n="52"/>
&#x017F;ie herab und war entzu&#x0364;ckt, wie eine &#x017F;olche Scho&#x0364;n-<lb/>
heit, eine &#x017F;olche Jugend mir am Herzen ruhte.</p><lb/>
        <p>Caton kam mit Ca&#x0364;cilien.</p><lb/>
        <p>Wir &#x017F;etzten uns nieder unter einem &#x017F;chlanken,<lb/>
von Epheuranken um&#x017F;chlung&#x2019;nen Thurm.</p><lb/>
        <p>Caton war ungewo&#x0364;hnlich heiter und &#x017F;agte end-<lb/>
lich: Wir wollen, liebe Kinder, u&#x0364;ber Un&#x017F;terblich-<lb/>
keit &#x017F;prechen. Auf die&#x017F;er Ho&#x0364;he, wo wir nichts mehr<lb/>
u&#x0364;ber uns &#x017F;ehen, als den blauen Himmel, in dem<lb/>
die ungeheuren Welten des Scho&#x0364;pfers &#x017F;chwimmen,<lb/>
fu&#x0364;hlen wir uns freyer und voller, und es i&#x017F;t als<lb/>
ob der luftiggewobene Schleyer um un&#x017F;ere Seele<lb/>
&#x017F;ich hinanho&#x0364;be in weiten, fließenden Falten.</p><lb/>
        <p>Atalanta &#x017F;oll be&#x017F;timmen, wer &#x017F;prechen &#x017F;oll!</p><lb/>
        <p>Sie &#x017F;aß zu meiner Seite und blickte mich lie-<lb/>
bevoll an. Caton rief: Ja, Phaethon &#x017F;oll uns fu&#x0364;r<lb/>
Un&#x017F;terblichkeit &#x017F;prechen.</p><lb/>
        <p>Nun denn, wenn ihr &#x017F;o wollt, &#x017F;o erfu&#x0364;ll&#x2019; ich<lb/>
euern Wun&#x017F;ch, erwiedert&#x2019; ich. Aber ihr mu&#x0364;ßt mir<lb/>
vergeben, wenn ich meinen Worten zuweilen einen<lb/>
ho&#x0364;hern Schwung leihe, wenn ich in Bildern &#x017F;pre-<lb/>
che. Denn ich glaube, &#x017F;o will es der Gegen&#x017F;tand.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0052] ſie herab und war entzuͤckt, wie eine ſolche Schoͤn- heit, eine ſolche Jugend mir am Herzen ruhte. Caton kam mit Caͤcilien. Wir ſetzten uns nieder unter einem ſchlanken, von Epheuranken umſchlung’nen Thurm. Caton war ungewoͤhnlich heiter und ſagte end- lich: Wir wollen, liebe Kinder, uͤber Unſterblich- keit ſprechen. Auf dieſer Hoͤhe, wo wir nichts mehr uͤber uns ſehen, als den blauen Himmel, in dem die ungeheuren Welten des Schoͤpfers ſchwimmen, fuͤhlen wir uns freyer und voller, und es iſt als ob der luftiggewobene Schleyer um unſere Seele ſich hinanhoͤbe in weiten, fließenden Falten. Atalanta ſoll beſtimmen, wer ſprechen ſoll! Sie ſaß zu meiner Seite und blickte mich lie- bevoll an. Caton rief: Ja, Phaethon ſoll uns fuͤr Unſterblichkeit ſprechen. Nun denn, wenn ihr ſo wollt, ſo erfuͤll’ ich euern Wunſch, erwiedert’ ich. Aber ihr muͤßt mir vergeben, wenn ich meinen Worten zuweilen einen hoͤhern Schwung leihe, wenn ich in Bildern ſpre- che. Denn ich glaube, ſo will es der Gegenſtand.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton02_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton02_1823/52
Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton02_1823/52>, abgerufen am 22.11.2024.