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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823.

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Vor den Leuten preßt er seinen Schmerz in
die Brust: aber er sprach laut genug aus dem wil-
den Glühen der Augen, dem blassen, eingefall'nen
Gesichte.

Er schwelgte, stürzte sich in Genüsse aller Art.
Seine Seele ward immer finst'rer, wilder, verdor-
bener, immer schwerer wurde die Rettung.

Viele, die ihn kannten, wollte er nicht mehr
kennen. Jn seinen Reden verlor er immer den Fa-
den wieder, machte die wunderbarsten Combinatio-
nen, und schien oft das Vergangene von dem Ge-
genwärtigen nicht mehr unterscheiden zu können.
Jmmer aber sprach er von Reinheit. Er hatte
lauter fixe Jdeen, die ihm niemand berühren durfte.

Am liebsten lief er durch Wälder oder über
Berge. Er glaubte seinem Schmerz zu entgehen,
und wenn es nicht möglich war, so knirscht' er in
Anfällen von Verzweiflung.

An Theodor schrieb er nur abgebrochene Sätze
wie folgende:

Vor den Leuten preßt er ſeinen Schmerz in
die Bruſt: aber er ſprach laut genug aus dem wil-
den Gluͤhen der Augen, dem blaſſen, eingefall’nen
Geſichte.

Er ſchwelgte, ſtuͤrzte ſich in Genuͤſſe aller Art.
Seine Seele ward immer finſt’rer, wilder, verdor-
bener, immer ſchwerer wurde die Rettung.

Viele, die ihn kannten, wollte er nicht mehr
kennen. Jn ſeinen Reden verlor er immer den Fa-
den wieder, machte die wunderbarſten Combinatio-
nen, und ſchien oft das Vergangene von dem Ge-
genwaͤrtigen nicht mehr unterſcheiden zu koͤnnen.
Jmmer aber ſprach er von Reinheit. Er hatte
lauter fixe Jdeen, die ihm niemand beruͤhren durfte.

Am liebſten lief er durch Waͤlder oder uͤber
Berge. Er glaubte ſeinem Schmerz zu entgehen,
und wenn es nicht moͤglich war, ſo knirſcht’ er in
Anfaͤllen von Verzweiflung.

An Theodor ſchrieb er nur abgebrochene Saͤtze
wie folgende:

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[124/0124] Vor den Leuten preßt er ſeinen Schmerz in die Bruſt: aber er ſprach laut genug aus dem wil- den Gluͤhen der Augen, dem blaſſen, eingefall’nen Geſichte. Er ſchwelgte, ſtuͤrzte ſich in Genuͤſſe aller Art. Seine Seele ward immer finſt’rer, wilder, verdor- bener, immer ſchwerer wurde die Rettung. Viele, die ihn kannten, wollte er nicht mehr kennen. Jn ſeinen Reden verlor er immer den Fa- den wieder, machte die wunderbarſten Combinatio- nen, und ſchien oft das Vergangene von dem Ge- genwaͤrtigen nicht mehr unterſcheiden zu koͤnnen. Jmmer aber ſprach er von Reinheit. Er hatte lauter fixe Jdeen, die ihm niemand beruͤhren durfte. Am liebſten lief er durch Waͤlder oder uͤber Berge. Er glaubte ſeinem Schmerz zu entgehen, und wenn es nicht moͤglich war, ſo knirſcht’ er in Anfaͤllen von Verzweiflung. An Theodor ſchrieb er nur abgebrochene Saͤtze wie folgende:

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton02_1823/124>, abgerufen am 25.11.2024.