und doch so tiefbeseligt war, aus Bäumen und Blättern, Blumen und Gräsern, aus Wellen und Wolken nur Eines uns überquoll, der Geist der Gottheit in seiner stillen ruhigen Größe, außer uns, in uns alles so innig war, so warm und so voll .. so Vieles und das Viele nur Eines ... diese Fülle und doch dieser selige Gleichklang ... ewiger Früh- ling, ewige Jugend ..! o das war schön!
Ordnung überall und Uebereinstimmung! Und du hast das geheimnißvolle Band aus dem innern Auge verloren, das diese Manigfaltigkeit zur Ein- heit bringt? Ueberall Leben und Liebe! Du allein bist ohne Glauben, Hoffnung und Zuversicht?
Hab' ich die Kraft verloren, dich glücklich zu machen?
O warum diese verzehrende Gluth, dieß be- täubende Sehnen? du bist so unruhig geworden, so wild in der Ferne, und meine Seele liebt dich doch mit so viel Frieden, so viel Ruhe, und doch so viel Stärke.
Die höchste Liebe ist wie das Schwei- gen der allbeseelten, stummlebendigen Natur .... tief und ruhig, wie das klare
und doch ſo tiefbeſeligt war, aus Baͤumen und Blaͤttern, Blumen und Graͤſern, aus Wellen und Wolken nur Eines uns uͤberquoll, der Geiſt der Gottheit in ſeiner ſtillen ruhigen Groͤße, außer uns, in uns alles ſo innig war, ſo warm und ſo voll .. ſo Vieles und das Viele nur Eines … dieſe Fuͤlle und doch dieſer ſelige Gleichklang … ewiger Fruͤh- ling, ewige Jugend ..! o das war ſchoͤn!
Ordnung uͤberall und Uebereinſtimmung! Und du haſt das geheimnißvolle Band aus dem innern Auge verloren, das dieſe Manigfaltigkeit zur Ein- heit bringt? Ueberall Leben und Liebe! Du allein biſt ohne Glauben, Hoffnung und Zuverſicht?
Hab’ ich die Kraft verloren, dich gluͤcklich zu machen?
O warum dieſe verzehrende Gluth, dieß be- taͤubende Sehnen? du biſt ſo unruhig geworden, ſo wild in der Ferne, und meine Seele liebt dich doch mit ſo viel Frieden, ſo viel Ruhe, und doch ſo viel Staͤrke.
Die hoͤchſte Liebe iſt wie das Schwei- gen der allbeſeelten, ſtummlebendigen Natur .... tief und ruhig, wie das klare
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0100"n="100"/>
und doch ſo tiefbeſeligt war, aus Baͤumen und<lb/>
Blaͤttern, Blumen und Graͤſern, aus Wellen und<lb/>
Wolken nur Eines uns uͤberquoll, der Geiſt der<lb/>
Gottheit in ſeiner ſtillen ruhigen Groͤße, außer uns,<lb/>
in uns alles ſo innig war, ſo warm und ſo voll ..<lb/>ſo Vieles und das Viele nur Eines … dieſe Fuͤlle<lb/>
und doch dieſer ſelige Gleichklang … ewiger Fruͤh-<lb/>
ling, ewige Jugend ..! o das war ſchoͤn!</p><lb/><p>Ordnung uͤberall und Uebereinſtimmung! Und<lb/>
du haſt das geheimnißvolle Band aus dem innern<lb/>
Auge verloren, das dieſe Manigfaltigkeit zur Ein-<lb/>
heit bringt? Ueberall Leben und Liebe! Du allein<lb/>
biſt ohne Glauben, Hoffnung und Zuverſicht?</p><lb/><p>Hab’ ich die Kraft verloren, dich gluͤcklich zu<lb/>
machen?</p><lb/><p>O warum dieſe verzehrende Gluth, dieß be-<lb/>
taͤubende Sehnen? du biſt ſo unruhig geworden, ſo<lb/>
wild in der Ferne, und meine Seele liebt dich doch<lb/>
mit ſo viel Frieden, ſo viel Ruhe, und doch ſo<lb/>
viel Staͤrke.</p><lb/><p><hirendition="#g">Die hoͤchſte Liebe iſt wie das Schwei-<lb/>
gen der allbeſeelten, ſtummlebendigen<lb/>
Natur .... tief und ruhig, wie das klare<lb/></hi></p></div></body></text></TEI>
[100/0100]
und doch ſo tiefbeſeligt war, aus Baͤumen und
Blaͤttern, Blumen und Graͤſern, aus Wellen und
Wolken nur Eines uns uͤberquoll, der Geiſt der
Gottheit in ſeiner ſtillen ruhigen Groͤße, außer uns,
in uns alles ſo innig war, ſo warm und ſo voll ..
ſo Vieles und das Viele nur Eines … dieſe Fuͤlle
und doch dieſer ſelige Gleichklang … ewiger Fruͤh-
ling, ewige Jugend ..! o das war ſchoͤn!
Ordnung uͤberall und Uebereinſtimmung! Und
du haſt das geheimnißvolle Band aus dem innern
Auge verloren, das dieſe Manigfaltigkeit zur Ein-
heit bringt? Ueberall Leben und Liebe! Du allein
biſt ohne Glauben, Hoffnung und Zuverſicht?
Hab’ ich die Kraft verloren, dich gluͤcklich zu
machen?
O warum dieſe verzehrende Gluth, dieß be-
taͤubende Sehnen? du biſt ſo unruhig geworden, ſo
wild in der Ferne, und meine Seele liebt dich doch
mit ſo viel Frieden, ſo viel Ruhe, und doch ſo
viel Staͤrke.
Die hoͤchſte Liebe iſt wie das Schwei-
gen der allbeſeelten, ſtummlebendigen
Natur .... tief und ruhig, wie das klare
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton02_1823/100>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.