Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823.Phaethon an Theodor. Fast jeden Abend bin ich drüben. Jch bin schon Und des Nachts träum' ich von ihr. Da hal- 6 *
Phaethon an Theodor. Faſt jeden Abend bin ich druͤben. Jch bin ſchon Und des Nachts traͤum’ ich von ihr. Da hal- 6 *
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Phaethon an Theodor.
Faſt jeden Abend bin ich druͤben. Jch bin ſchon
halb zu Haus im Garten und im Schloͤßchen, nur
in Caton’s Mauſoleum nicht. Wenn ich einmal
nicht hinuͤbergehe des Abends, dann ſitz’ ich ſtun-
denlang in meinem Zimmer, lege mein Geſicht auf
meinen Arm und hoͤre meinem Pulſe zu, und jeder
ſeiner Schlaͤge wallt fuͤr ſie. Oder geh’ ich auch
auf den Huͤgel und ſetze mich an die Stelle, wo
ſie einſt ſaß und ſehe die Sonne hinunter wandeln
und ſtrecke meine Arme aus nach ihr, als wollt’
ich ſie umfaſſen.
Und des Nachts traͤum’ ich von ihr. Da hal-
ten wir uns in Armen, wie unſchuldige Kinder,
und ſitzen auf einer Wieſe unter ſchattigen Baͤumen —
wir pfluͤcken uns Blumen und ich ſteck’ ihr eine
Roſe an den Buſen, und druͤck’ ihr dann einen
Kuß auf den keuſchen, lieblichen Mund, und wir
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Zitationshilfe: | Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton01_1823/93>, abgerufen am 16.02.2025. |