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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823.

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Und wie sie endlich mich fragte, warum krönen
Sie ihn nicht auch den Lieben, Guten, und ich die
Rosen nahm vom Haupte des Eros, und sie flocht
um die weißen Locken des ruhigen Homeros, wie
ich sie dann anblickte, und fragte: ist's recht so,
und sie lächelte, und dem Alten den Kranz noch
tiefer in die Stirne drückte und wieder schwieg, da,
da verstand ich sie ganz, und ihr Blick war wie
warme, glühende Mayensonne.

Und höre nur! Griechische Worte klangen von
ihren Lippen! Die Sprache Homer's herausgewogt
aus lächelnden Mädchenwangen!

Caton war in sich gekehrt und ergriff endlich
meine Hand und fragte: Wollen wir nicht ins
Freye? Mir fiel der Hügel ein an meiner Hütte.
Wir stiegen hinauf. Auf dem grünen Rasen dro-
ben setzten wir uns unter meiner Eiche. Jch er-
zählte, wie ich diesen Baum lieb habe, wie er so
alt sey, und doch noch jeden Frühling, wie ein
Jüngling, blühe, und was ich da genieße und
empfinde, wie ich so oft daliege, wann die Sonne
untertaucht, und mein strebender Geist ihr dann
folge, und, wie in einem Bad, im Abendroth sich
kühle.

Und wie ſie endlich mich fragte, warum kroͤnen
Sie ihn nicht auch den Lieben, Guten, und ich die
Roſen nahm vom Haupte des Eros, und ſie flocht
um die weißen Locken des ruhigen Homeros, wie
ich ſie dann anblickte, und fragte: iſt’s recht ſo,
und ſie laͤchelte, und dem Alten den Kranz noch
tiefer in die Stirne druͤckte und wieder ſchwieg, da,
da verſtand ich ſie ganz, und ihr Blick war wie
warme, gluͤhende Mayenſonne.

Und hoͤre nur! Griechiſche Worte klangen von
ihren Lippen! Die Sprache Homer’s herausgewogt
aus laͤchelnden Maͤdchenwangen!

Caton war in ſich gekehrt und ergriff endlich
meine Hand und fragte: Wollen wir nicht ins
Freye? Mir fiel der Huͤgel ein an meiner Huͤtte.
Wir ſtiegen hinauf. Auf dem gruͤnen Raſen dro-
ben ſetzten wir uns unter meiner Eiche. Jch er-
zaͤhlte, wie ich dieſen Baum lieb habe, wie er ſo
alt ſey, und doch noch jeden Fruͤhling, wie ein
Juͤngling, bluͤhe, und was ich da genieße und
empfinde, wie ich ſo oft daliege, wann die Sonne
untertaucht, und mein ſtrebender Geiſt ihr dann
folge, und, wie in einem Bad, im Abendroth ſich
kuͤhle.

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[62/0072] Und wie ſie endlich mich fragte, warum kroͤnen Sie ihn nicht auch den Lieben, Guten, und ich die Roſen nahm vom Haupte des Eros, und ſie flocht um die weißen Locken des ruhigen Homeros, wie ich ſie dann anblickte, und fragte: iſt’s recht ſo, und ſie laͤchelte, und dem Alten den Kranz noch tiefer in die Stirne druͤckte und wieder ſchwieg, da, da verſtand ich ſie ganz, und ihr Blick war wie warme, gluͤhende Mayenſonne. Und hoͤre nur! Griechiſche Worte klangen von ihren Lippen! Die Sprache Homer’s herausgewogt aus laͤchelnden Maͤdchenwangen! Caton war in ſich gekehrt und ergriff endlich meine Hand und fragte: Wollen wir nicht ins Freye? Mir fiel der Huͤgel ein an meiner Huͤtte. Wir ſtiegen hinauf. Auf dem gruͤnen Raſen dro- ben ſetzten wir uns unter meiner Eiche. Jch er- zaͤhlte, wie ich dieſen Baum lieb habe, wie er ſo alt ſey, und doch noch jeden Fruͤhling, wie ein Juͤngling, bluͤhe, und was ich da genieße und empfinde, wie ich ſo oft daliege, wann die Sonne untertaucht, und mein ſtrebender Geiſt ihr dann folge, und, wie in einem Bad, im Abendroth ſich kuͤhle.

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton01_1823/72>, abgerufen am 23.11.2024.