Und einmal blickt' ich sie an, und Fieberhitze brannte durch mein glühendes Auge. Da trifft sie mich: ich fühlte die ganze unendliche Schönheit ihrer Seele, und eine flammende Röthe goß sich über ihre schüchternen Wangen. Lieber! mir wank- ten die Knie.
Mein Blick fiel auf Caton. Sein Auge irrte unruhig umher, und ruhte zuletzt auf dem Mäd- chen und ich sah, wie er mich anblickte. Was sollte das bedeuten?
Jch übergehe alles Folgende. Und wie sollt' ich das Entzücken schildern, das mich überwallte, wie ihre Lippen sich bewegten und sie sprach, und jedes Wort, wie ein Lichtstrahl durch die Nacht, in meine Seele fiel?
Nur das noch! Wie sie aufstand, und vor meinen Homer hintrat, und ich das junge blühende Gesicht neben den saftgrünen Traubenblättern am offenen Fenster sah, und neben dem ernsten heili- gen Alten, und ihre vollen weichen Mädchenwangen, wie zwey Küsse, glühten an den bärtigen Wangen des Sängers, und ich fühlte, wie's ihr war in die- sem Augenblick, ach da hätt' ich ihr mögen zu Füßen sinken und meine Seele ströhmen in die ihre.
Und einmal blickt’ ich ſie an, und Fieberhitze brannte durch mein gluͤhendes Auge. Da trifft ſie mich: ich fuͤhlte die ganze unendliche Schoͤnheit ihrer Seele, und eine flammende Roͤthe goß ſich uͤber ihre ſchuͤchternen Wangen. Lieber! mir wank- ten die Knie.
Mein Blick fiel auf Caton. Sein Auge irrte unruhig umher, und ruhte zuletzt auf dem Maͤd- chen und ich ſah, wie er mich anblickte. Was ſollte das bedeuten?
Jch uͤbergehe alles Folgende. Und wie ſollt’ ich das Entzuͤcken ſchildern, das mich uͤberwallte, wie ihre Lippen ſich bewegten und ſie ſprach, und jedes Wort, wie ein Lichtſtrahl durch die Nacht, in meine Seele fiel?
Nur das noch! Wie ſie aufſtand, und vor meinen Homer hintrat, und ich das junge bluͤhende Geſicht neben den ſaftgruͤnen Traubenblaͤttern am offenen Fenſter ſah, und neben dem ernſten heili- gen Alten, und ihre vollen weichen Maͤdchenwangen, wie zwey Kuͤſſe, gluͤhten an den baͤrtigen Wangen des Saͤngers, und ich fuͤhlte, wie’s ihr war in die- ſem Augenblick, ach da haͤtt’ ich ihr moͤgen zu Fuͤßen ſinken und meine Seele ſtroͤhmen in die ihre.
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Und einmal blickt’ ich ſie an, und Fieberhitze
brannte durch mein gluͤhendes Auge. Da trifft ſie
mich: ich fuͤhlte die ganze unendliche Schoͤnheit
ihrer Seele, und eine flammende Roͤthe goß ſich
uͤber ihre ſchuͤchternen Wangen. Lieber! mir wank-
ten die Knie.
Mein Blick fiel auf Caton. Sein Auge irrte
unruhig umher, und ruhte zuletzt auf dem Maͤd-
chen und ich ſah, wie er mich anblickte. Was ſollte
das bedeuten?
Jch uͤbergehe alles Folgende. Und wie ſollt’
ich das Entzuͤcken ſchildern, das mich uͤberwallte,
wie ihre Lippen ſich bewegten und ſie ſprach, und
jedes Wort, wie ein Lichtſtrahl durch die Nacht, in
meine Seele fiel?
Nur das noch! Wie ſie aufſtand, und vor
meinen Homer hintrat, und ich das junge bluͤhende
Geſicht neben den ſaftgruͤnen Traubenblaͤttern am
offenen Fenſter ſah, und neben dem ernſten heili-
gen Alten, und ihre vollen weichen Maͤdchenwangen,
wie zwey Kuͤſſe, gluͤhten an den baͤrtigen Wangen
des Saͤngers, und ich fuͤhlte, wie’s ihr war in die-
ſem Augenblick, ach da haͤtt’ ich ihr moͤgen zu
Fuͤßen ſinken und meine Seele ſtroͤhmen in die ihre.
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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton01_1823/71>, abgerufen am 16.02.2025.
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