Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823.Phaethon an Th|eodor. Es gibt eine gewisse Saite in meinem Jnnern, wer Caton stand vor meinem Bild. Jch hatte mei- Phaethon an Th|eodor. Es gibt eine gewiſſe Saite in meinem Jnnern, wer Caton ſtand vor meinem Bild. Jch hatte mei- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0050" n="40"/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#g">Phaethon an Th|eodor.</hi> </head><lb/> <p>Es gibt eine gewiſſe Saite in meinem Jnnern, wer<lb/> sie zu ſtimmen weiß, hat mich gewonnen. Wer ſie<lb/> aber anruͤhrt mit taͤppiſchen Haͤnden, der laͤßt einen<lb/> ewigen Mißklang zuruͤck. Caton hat ſie getroffen,<lb/> der Verwalter der Graͤfin. Geſtern Nachmittag<lb/> ſtand ich vor meinem Amor und glaͤttete mit der<lb/> feinſten Feile noch manche Haͤrte. Der Geiſt mei-<lb/> nes Bildes ſchwebte mir in ſeiner Vollendung vor<lb/> Augen. Da klopft’ es an die Thuͤre, und wie ich<lb/> ſie oͤffnete, ſtand ein Mann vor mir, groß, mit<lb/> breiten Schultern, einer vollen Bruſt. Zwiſchen<lb/> einem ſtarken Bart laͤchelten ein Paar zarte Lippen<lb/> hervor, aber das Auge ſpruͤhte dumpfe Funken un-<lb/> ter den ſtarken Braun’. Es war der Verwalter<lb/> Caͤciliens. Jch bot dem ſchoͤnen ſtolzen Mann ei-<lb/> nen Stuhl.</p><lb/> <p>Caton ſtand vor meinem Bild. Jch hatte mei-<lb/> nen Arm gelehnt ans Fenſter. Lange ſah er ſtumm<lb/> die Figur an. Jch wagte kein Wort zu ſprechen.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [40/0050]
Phaethon an Th|eodor.
Es gibt eine gewiſſe Saite in meinem Jnnern, wer
sie zu ſtimmen weiß, hat mich gewonnen. Wer ſie
aber anruͤhrt mit taͤppiſchen Haͤnden, der laͤßt einen
ewigen Mißklang zuruͤck. Caton hat ſie getroffen,
der Verwalter der Graͤfin. Geſtern Nachmittag
ſtand ich vor meinem Amor und glaͤttete mit der
feinſten Feile noch manche Haͤrte. Der Geiſt mei-
nes Bildes ſchwebte mir in ſeiner Vollendung vor
Augen. Da klopft’ es an die Thuͤre, und wie ich
ſie oͤffnete, ſtand ein Mann vor mir, groß, mit
breiten Schultern, einer vollen Bruſt. Zwiſchen
einem ſtarken Bart laͤchelten ein Paar zarte Lippen
hervor, aber das Auge ſpruͤhte dumpfe Funken un-
ter den ſtarken Braun’. Es war der Verwalter
Caͤciliens. Jch bot dem ſchoͤnen ſtolzen Mann ei-
nen Stuhl.
Caton ſtand vor meinem Bild. Jch hatte mei-
nen Arm gelehnt ans Fenſter. Lange ſah er ſtumm
die Figur an. Jch wagte kein Wort zu ſprechen.
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Zitationshilfe: | Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton01_1823/50>, abgerufen am 16.07.2024. |