an den weißen Gestalten der hohen Vorwelt mein trunk'nes Auge selig und begeistert. Der alte große Göttervater, deß majestätisch hohe Stirne die Wel- len des wild aufwallenden Gelocks umfließen, in all' seiner Herschergröße aus dem tiefen Auge blik- kend und doch so liebendväterlich, so würdig mild, wie der Geist, der ernste, alldurchblickende ... und wie das Gemüth ihm gegenüber der Liebe schmach- tend süße Göttin in ihrer üppig bescheid'nen Schöne, mit ihrem holdlächelnden Auge, mit ihrem vollen gewölbten Nacken, mit ihren weichen schwellenden Gliedern, wie ins Morgenroth getaucht .... hier wie die aufquellende Kraft, des erhabenen Vaters ähnlichster Sohn, der jugendlich starke Apollon, in flammender Anmuth seines Zornes, und neben ihm seine Schwester, die schöne keusche Jägerin, leichtschwebend wie ein schlankes Reh, den Boden kaum mit ihrem Fuß betretend ... hier die kolos- sale Gestalt der höheren Athene, das tiefe Bild der ernsten Mässigung, mit jungfräulichem Ernst die großen Augen auf die Erde kehrend, und neben ihr, wie Ungestümm bey Weisheit, der junge tro- zig wilde Gott des Krieges, mit kühnem Selbst- gefühl die hochgewölbte Brust geschwellt ..... Theodor! ach da schwanden mir die Sinne, (dem knieenden Knaben,) und alles graute mir vor mei-
an den weißen Geſtalten der hohen Vorwelt mein trunk’nes Auge ſelig und begeiſtert. Der alte große Goͤttervater, deß majeſtaͤtiſch hohe Stirne die Wel- len des wild aufwallenden Gelocks umfließen, in all’ ſeiner Herſchergroͤße aus dem tiefen Auge blik- kend und doch ſo liebendvaͤterlich, ſo wuͤrdig mild, wie der Geiſt, der ernſte, alldurchblickende … und wie das Gemuͤth ihm gegenuͤber der Liebe ſchmach- tend ſuͤße Goͤttin in ihrer uͤppig beſcheid’nen Schoͤne, mit ihrem holdlaͤchelnden Auge, mit ihrem vollen gewoͤlbten Nacken, mit ihren weichen ſchwellenden Gliedern, wie ins Morgenroth getaucht .... hier wie die aufquellende Kraft, des erhabenen Vaters aͤhnlichſter Sohn, der jugendlich ſtarke Apollon, in flammender Anmuth ſeines Zornes, und neben ihm ſeine Schweſter, die ſchoͤne keuſche Jaͤgerin, leichtſchwebend wie ein ſchlankes Reh, den Boden kaum mit ihrem Fuß betretend … hier die koloſ- ſale Geſtalt der hoͤheren Athene, das tiefe Bild der ernſten Maͤſſigung, mit jungfraͤulichem Ernſt die großen Augen auf die Erde kehrend, und neben ihr, wie Ungeſtuͤmm bey Weisheit, der junge tro- zig wilde Gott des Krieges, mit kuͤhnem Selbſt- gefuͤhl die hochgewoͤlbte Bruſt geſchwellt ..... Theodor! ach da ſchwanden mir die Sinne, (dem knieenden Knaben,) und alles graute mir vor mei-
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an den weißen Geſtalten der hohen Vorwelt mein
trunk’nes Auge ſelig und begeiſtert. Der alte große
Goͤttervater, deß majeſtaͤtiſch hohe Stirne die Wel-
len des wild aufwallenden Gelocks umfließen, in
all’ ſeiner Herſchergroͤße aus dem tiefen Auge blik-
kend und doch ſo liebendvaͤterlich, ſo wuͤrdig mild,
wie der Geiſt, der ernſte, alldurchblickende … und
wie das Gemuͤth ihm gegenuͤber der Liebe ſchmach-
tend ſuͤße Goͤttin in ihrer uͤppig beſcheid’nen Schoͤne,
mit ihrem holdlaͤchelnden Auge, mit ihrem vollen
gewoͤlbten Nacken, mit ihren weichen ſchwellenden
Gliedern, wie ins Morgenroth getaucht .... hier
wie die aufquellende Kraft, des erhabenen Vaters
aͤhnlichſter Sohn, der jugendlich ſtarke Apollon,
in flammender Anmuth ſeines Zornes, und neben
ihm ſeine Schweſter, die ſchoͤne keuſche Jaͤgerin,
leichtſchwebend wie ein ſchlankes Reh, den Boden
kaum mit ihrem Fuß betretend … hier die koloſ-
ſale Geſtalt der hoͤheren Athene, das tiefe Bild der
ernſten Maͤſſigung, mit jungfraͤulichem Ernſt die
großen Augen auf die Erde kehrend, und neben
ihr, wie Ungeſtuͤmm bey Weisheit, der junge tro-
zig wilde Gott des Krieges, mit kuͤhnem Selbſt-
gefuͤhl die hochgewoͤlbte Bruſt geſchwellt .....
Theodor! ach da ſchwanden mir die Sinne, (dem
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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton01_1823/35>, abgerufen am 02.03.2025.
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