Mir wirds oft bange unter diesen Menschen, wo eine solche Kluft den einen von dem andern trennt.
Und was sind das für Begriffe von Schick- lichkeit! Theodor! ich möchte mich zu Tod ärgern wenn ich sehe, wie's Menschen gibt, die lieber die Welt durch ein umflortes Glas ansehen, und and're verdammen wollen, die der lieben Sonne ins An- gesicht schauen. Solche nied're Seelen, die nie aus dem Gleichgewichte kamen, weil jeder Schwung für sie zu kühn war, die sich leicht beherrschen können, weil sie nicht viel zu beherrschen haben, die jedes warme schmerzliche Gefühl verbannen, weil sie's an ihrer kalten Arbeit stört, die wollen ein lei- dend Gemüth, das ringend auf dem sturmbeweg- ten Meere treibt, vom Hafen aus verlachen? Ach! das ist leicht!
Und wo offenbart sich tiefer das Gemüth, als wenn es leidet? Und muß es nicht leiden?
Mir wirds oft bange unter dieſen Menſchen, wo eine ſolche Kluft den einen von dem andern trennt.
Und was ſind das fuͤr Begriffe von Schick- lichkeit! Theodor! ich moͤchte mich zu Tod aͤrgern wenn ich ſehe, wie’s Menſchen gibt, die lieber die Welt durch ein umflortes Glas anſehen, und and’re verdammen wollen, die der lieben Sonne ins An- geſicht ſchauen. Solche nied’re Seelen, die nie aus dem Gleichgewichte kamen, weil jeder Schwung fuͤr ſie zu kuͤhn war, die ſich leicht beherrſchen koͤnnen, weil ſie nicht viel zu beherrſchen haben, die jedes warme ſchmerzliche Gefuͤhl verbannen, weil ſie’s an ihrer kalten Arbeit ſtoͤrt, die wollen ein lei- dend Gemuͤth, das ringend auf dem ſturmbeweg- ten Meere treibt, vom Hafen aus verlachen? Ach! das iſt leicht!
Und wo offenbart ſich tiefer das Gemuͤth, als wenn es leidet? Und muß es nicht leiden?
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Mir wirds oft bange unter dieſen Menſchen,
wo eine ſolche Kluft den einen von dem andern
trennt.
Und was ſind das fuͤr Begriffe von Schick-
lichkeit! Theodor! ich moͤchte mich zu Tod aͤrgern
wenn ich ſehe, wie’s Menſchen gibt, die lieber die
Welt durch ein umflortes Glas anſehen, und and’re
verdammen wollen, die der lieben Sonne ins An-
geſicht ſchauen. Solche nied’re Seelen, die nie aus
dem Gleichgewichte kamen, weil jeder Schwung fuͤr
ſie zu kuͤhn war, die ſich leicht beherrſchen koͤnnen,
weil ſie nicht viel zu beherrſchen haben, die jedes
warme ſchmerzliche Gefuͤhl verbannen, weil ſie’s
an ihrer kalten Arbeit ſtoͤrt, die wollen ein lei-
dend Gemuͤth, das ringend auf dem ſturmbeweg-
ten Meere treibt, vom Hafen aus verlachen? Ach!
das iſt leicht!
Und wo offenbart ſich tiefer das Gemuͤth, als
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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton01_1823/22>, abgerufen am 16.02.2025.
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