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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823.

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stalten. Kein Mond war am Himmel. Eine Nach-
tigall schlug in der Nähe in vollen schwellenden Ak-
korden. Jch schlummert' ein.

Höre meinen Traum.

Jch trat in ein elysisch schönes Land. Durch
fette Wiesengründe wälzten Bäche sich. An ihren
Ufern stiegen im Schatten des Lorbeers und der
Myrthe Säulentempel in die Lüfte. Unendlich
klar war das Blau des Himmels. Der linde war-
me Hauch eines ewigen May's war über Wiesen,
Wälder, Hügel und Himmel gegossen.

Da hört' ich ein unterirdisch Dröhnen, als
ob die Erde wollte Riesen hervorstrudeln aus ihrer
Tiefe. Die Bäume wankten und die Felsen bebten.
War es so, als aus dem gestaltlosen Chaos mit
Brausen und Donnern die Elemente sich schieden,
aus dem kochenden Wirbel der Urkräfte, wie das
gestaltete Eisen aus der Flamme, die Welten sich
lößten, und die alten Riesengötter im Kampfe lagen
mit den neuen, wie der gewaltig genialische Geist
in seiner schrankenlosen Erhabenheit, in seiner über-
schwellenden Größe, in seiner unermeßlichen Pracht,
wenn die Kunst ihn zwingen will in geründete Formen,
in vollendete, harmonische Bildung, ins Ebenmaaß?

ſtalten. Kein Mond war am Himmel. Eine Nach-
tigall ſchlug in der Naͤhe in vollen ſchwellenden Ak-
korden. Jch ſchlummert’ ein.

Hoͤre meinen Traum.

Jch trat in ein elyſiſch ſchoͤnes Land. Durch
fette Wieſengruͤnde waͤlzten Baͤche ſich. An ihren
Ufern ſtiegen im Schatten des Lorbeers und der
Myrthe Saͤulentempel in die Luͤfte. Unendlich
klar war das Blau des Himmels. Der linde war-
me Hauch eines ewigen May’s war uͤber Wieſen,
Waͤlder, Huͤgel und Himmel gegoſſen.

Da hoͤrt’ ich ein unterirdiſch Droͤhnen, als
ob die Erde wollte Rieſen hervorſtrudeln aus ihrer
Tiefe. Die Baͤume wankten und die Felſen bebten.
War es ſo, als aus dem geſtaltloſen Chaos mit
Brauſen und Donnern die Elemente ſich ſchieden,
aus dem kochenden Wirbel der Urkraͤfte, wie das
geſtaltete Eiſen aus der Flamme, die Welten ſich
loͤßten, und die alten Rieſengoͤtter im Kampfe lagen
mit den neuen, wie der gewaltig genialiſche Geiſt
in ſeiner ſchrankenloſen Erhabenheit, in ſeiner uͤber-
ſchwellenden Groͤße, in ſeiner unermeßlichen Pracht,
wenn die Kunſt ihn zwingen will in geruͤndete Formen,
in vollendete, harmoniſche Bildung, ins Ebenmaaß?

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[144/0154] ſtalten. Kein Mond war am Himmel. Eine Nach- tigall ſchlug in der Naͤhe in vollen ſchwellenden Ak- korden. Jch ſchlummert’ ein. Hoͤre meinen Traum. Jch trat in ein elyſiſch ſchoͤnes Land. Durch fette Wieſengruͤnde waͤlzten Baͤche ſich. An ihren Ufern ſtiegen im Schatten des Lorbeers und der Myrthe Saͤulentempel in die Luͤfte. Unendlich klar war das Blau des Himmels. Der linde war- me Hauch eines ewigen May’s war uͤber Wieſen, Waͤlder, Huͤgel und Himmel gegoſſen. Da hoͤrt’ ich ein unterirdiſch Droͤhnen, als ob die Erde wollte Rieſen hervorſtrudeln aus ihrer Tiefe. Die Baͤume wankten und die Felſen bebten. War es ſo, als aus dem geſtaltloſen Chaos mit Brauſen und Donnern die Elemente ſich ſchieden, aus dem kochenden Wirbel der Urkraͤfte, wie das geſtaltete Eiſen aus der Flamme, die Welten ſich loͤßten, und die alten Rieſengoͤtter im Kampfe lagen mit den neuen, wie der gewaltig genialiſche Geiſt in ſeiner ſchrankenloſen Erhabenheit, in ſeiner uͤber- ſchwellenden Groͤße, in ſeiner unermeßlichen Pracht, wenn die Kunſt ihn zwingen will in geruͤndete Formen, in vollendete, harmoniſche Bildung, ins Ebenmaaß?

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton01_1823/154>, abgerufen am 22.11.2024.