hob, und eine Thräne bebte im Auge des Alten, Ehrlichen, wie er da lehrte, und seine Lippen über- quollen von der Fülle seines Herzens, wie von Strahlen der ewige Lichtquell der Sonne, er, der Sohn des Himmels, auf dem Felsen, und um ihn der endlose, im Morgenroth wallende Aether, rein, wie seine Dichterseele .....
Atalanta war mir an die Brust gesunken: ich blickte hinab auf das jugendliche Haupt und fühlte mein ganzes Wesen überwallen, wie ich sie so nah mir sah, diese unaussprechliche Schönheit. Jhr dunkles Auge voll ewigem Frieden weinte verklärt zum blauen Himmel hinauf, und ich drückte, von der Seligkeit der Götter durchschauert, einen heißen Kuß auf ihre keuschen, unentweihten Wangen.
Ja, Atalanta, rief ich endlich, mich erholend aus der betäubenden Wonne, blick ihn an mit dei- nem Auge voll Liebe, er ist's! Seine Seele ist un- ergründlich, wie das Meer, aber durchsichtig, wie der unermeßliche Aether. An seinen Busen voll warmem Jugendfeuer drückt er die Natur, wie eine Braut, und seine Gesänge sind die ewig jugendli- chen Kinder seiner Liebe. Wie holde Blumen in einem Kranze schlangen Weisheit, Schönheit, Mä-
hob, und eine Thraͤne bebte im Auge des Alten, Ehrlichen, wie er da lehrte, und ſeine Lippen uͤber- quollen von der Fuͤlle ſeines Herzens, wie von Strahlen der ewige Lichtquell der Sonne, er, der Sohn des Himmels, auf dem Felſen, und um ihn der endloſe, im Morgenroth wallende Aether, rein, wie ſeine Dichterſeele .....
Atalanta war mir an die Bruſt geſunken: ich blickte hinab auf das jugendliche Haupt und fuͤhlte mein ganzes Weſen uͤberwallen, wie ich ſie ſo nah mir ſah, dieſe unausſprechliche Schoͤnheit. Jhr dunkles Auge voll ewigem Frieden weinte verklaͤrt zum blauen Himmel hinauf, und ich druͤckte, von der Seligkeit der Goͤtter durchſchauert, einen heißen Kuß auf ihre keuſchen, unentweihten Wangen.
Ja, Atalanta, rief ich endlich, mich erholend aus der betaͤubenden Wonne, blick ihn an mit dei- nem Auge voll Liebe, er iſt’s! Seine Seele iſt un- ergruͤndlich, wie das Meer, aber durchſichtig, wie der unermeßliche Aether. An ſeinen Buſen voll warmem Jugendfeuer druͤckt er die Natur, wie eine Braut, und ſeine Geſaͤnge ſind die ewig jugendli- chen Kinder ſeiner Liebe. Wie holde Blumen in einem Kranze ſchlangen Weisheit, Schoͤnheit, Maͤ-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0152"n="142"/>
hob, und eine Thraͤne bebte im Auge des Alten,<lb/>
Ehrlichen, wie er da lehrte, und ſeine Lippen uͤber-<lb/>
quollen von der Fuͤlle ſeines Herzens, wie von<lb/>
Strahlen der ewige Lichtquell der Sonne, er, der<lb/>
Sohn des Himmels, auf dem Felſen, und um ihn<lb/>
der endloſe, im Morgenroth wallende Aether, rein,<lb/>
wie ſeine Dichterſeele .....</p><lb/><p>Atalanta war mir an die Bruſt geſunken: ich<lb/>
blickte hinab auf das jugendliche Haupt und fuͤhlte<lb/>
mein ganzes Weſen uͤberwallen, wie ich ſie ſo nah<lb/>
mir ſah, dieſe unausſprechliche Schoͤnheit. Jhr<lb/>
dunkles Auge voll ewigem Frieden weinte verklaͤrt<lb/>
zum blauen Himmel hinauf, und ich druͤckte, von<lb/>
der Seligkeit der Goͤtter durchſchauert, einen heißen<lb/>
Kuß auf ihre keuſchen, unentweihten Wangen.</p><lb/><p>Ja, Atalanta, rief ich endlich, mich erholend<lb/>
aus der betaͤubenden Wonne, blick ihn an mit dei-<lb/>
nem Auge voll Liebe, er iſt’s! Seine Seele iſt un-<lb/>
ergruͤndlich, wie das Meer, aber durchſichtig, wie<lb/>
der unermeßliche Aether. An ſeinen Buſen voll<lb/>
warmem Jugendfeuer druͤckt er die Natur, wie eine<lb/>
Braut, und ſeine Geſaͤnge ſind die ewig jugendli-<lb/>
chen Kinder ſeiner Liebe. Wie holde Blumen in<lb/>
einem Kranze ſchlangen Weisheit, Schoͤnheit, Maͤ-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[142/0152]
hob, und eine Thraͤne bebte im Auge des Alten,
Ehrlichen, wie er da lehrte, und ſeine Lippen uͤber-
quollen von der Fuͤlle ſeines Herzens, wie von
Strahlen der ewige Lichtquell der Sonne, er, der
Sohn des Himmels, auf dem Felſen, und um ihn
der endloſe, im Morgenroth wallende Aether, rein,
wie ſeine Dichterſeele .....
Atalanta war mir an die Bruſt geſunken: ich
blickte hinab auf das jugendliche Haupt und fuͤhlte
mein ganzes Weſen uͤberwallen, wie ich ſie ſo nah
mir ſah, dieſe unausſprechliche Schoͤnheit. Jhr
dunkles Auge voll ewigem Frieden weinte verklaͤrt
zum blauen Himmel hinauf, und ich druͤckte, von
der Seligkeit der Goͤtter durchſchauert, einen heißen
Kuß auf ihre keuſchen, unentweihten Wangen.
Ja, Atalanta, rief ich endlich, mich erholend
aus der betaͤubenden Wonne, blick ihn an mit dei-
nem Auge voll Liebe, er iſt’s! Seine Seele iſt un-
ergruͤndlich, wie das Meer, aber durchſichtig, wie
der unermeßliche Aether. An ſeinen Buſen voll
warmem Jugendfeuer druͤckt er die Natur, wie eine
Braut, und ſeine Geſaͤnge ſind die ewig jugendli-
chen Kinder ſeiner Liebe. Wie holde Blumen in
einem Kranze ſchlangen Weisheit, Schoͤnheit, Maͤ-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton01_1823/152>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.