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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823.

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Phaethon an Theodor.

Noch ist Stärke, Schönheit, Tugend nicht gewi-
chen von der Erde. O ich fühl' es, fühl' es, wie
mein Jch, was würdig ist des Menschen. Rein
ist der Mensch von seinem Ursprung an: denn von
der Gottheit stammt er. Jn seinem Busen quillt
der ewig treibende Keim des Guten, wie eine klare,
den Himmel abspiegelnde Quelle. Unglücklich ist
er, wenn sie getrübt wird, aber verloren ist er, wenn
sie versiegt. Der Geist, das Größte, was Gott erschaffen
auf der Erde, ist der Mann. Er ist's, der Star-
ke, der Muth hat und Kraft und unveränderlichen
Willen. Ruhig steht er da in seiner erhabenen
Würde, wie eine hundertjähr'ge Eiche, deren Rie-
senwipfel vergeblich Wind und Stürme schütteln.
Die Sonne spielt in seinen Zweigen schmeichelnd
und niedere Creaturen der Erde kriechen um seine
mächtigen Wurzeln. Und ist er auch geschmiedet,

Phaethon an Theodor.

Noch iſt Staͤrke, Schoͤnheit, Tugend nicht gewi-
chen von der Erde. O ich fuͤhl’ es, fuͤhl’ es, wie
mein Jch, was wuͤrdig iſt des Menſchen. Rein
iſt der Menſch von ſeinem Urſprung an: denn von
der Gottheit ſtammt er. Jn ſeinem Buſen quillt
der ewig treibende Keim des Guten, wie eine klare,
den Himmel abſpiegelnde Quelle. Ungluͤcklich iſt
er, wenn ſie getruͤbt wird, aber verloren iſt er, wenn
ſie verſiegt. Der Geiſt, das Groͤßte, was Gott erſchaffen
auf der Erde, iſt der Mann. Er iſt’s, der Star-
ke, der Muth hat und Kraft und unveraͤnderlichen
Willen. Ruhig ſteht er da in ſeiner erhabenen
Wuͤrde, wie eine hundertjaͤhr’ge Eiche, deren Rie-
ſenwipfel vergeblich Wind und Stuͤrme ſchuͤtteln.
Die Sonne ſpielt in ſeinen Zweigen ſchmeichelnd
und niedere Creaturen der Erde kriechen um ſeine
maͤchtigen Wurzeln. Und iſt er auch geſchmiedet,

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[133/0143] Phaethon an Theodor. Noch iſt Staͤrke, Schoͤnheit, Tugend nicht gewi- chen von der Erde. O ich fuͤhl’ es, fuͤhl’ es, wie mein Jch, was wuͤrdig iſt des Menſchen. Rein iſt der Menſch von ſeinem Urſprung an: denn von der Gottheit ſtammt er. Jn ſeinem Buſen quillt der ewig treibende Keim des Guten, wie eine klare, den Himmel abſpiegelnde Quelle. Ungluͤcklich iſt er, wenn ſie getruͤbt wird, aber verloren iſt er, wenn ſie verſiegt. Der Geiſt, das Groͤßte, was Gott erſchaffen auf der Erde, iſt der Mann. Er iſt’s, der Star- ke, der Muth hat und Kraft und unveraͤnderlichen Willen. Ruhig ſteht er da in ſeiner erhabenen Wuͤrde, wie eine hundertjaͤhr’ge Eiche, deren Rie- ſenwipfel vergeblich Wind und Stuͤrme ſchuͤtteln. Die Sonne ſpielt in ſeinen Zweigen ſchmeichelnd und niedere Creaturen der Erde kriechen um ſeine maͤchtigen Wurzeln. Und iſt er auch geſchmiedet,

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton01_1823/143>, abgerufen am 27.11.2024.