Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823.wie das Angesicht eines keuschen Mädchens, herab- Die Geliebte lag an meiner Brust und hatte Kein Laut aus der Ferne, nur das melodische Atalanta, fühlst du den stillen Geist, der über 9
wie das Angeſicht eines keuſchen Maͤdchens, herab- Die Geliebte lag an meiner Bruſt und hatte Kein Laut aus der Ferne, nur das melodiſche Atalanta, fuͤhlſt du den ſtillen Geiſt, der uͤber 9
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wie das Angeſicht eines keuſchen Maͤdchens, herab-
quoll auf die zitternden Gewaͤſſer. Die Tannen
am Ufer druͤben ſchienen ſich mit ihren Rieſenſchat-
ten in der kuͤhlen Fluth zu baden. Wie ein duͤnn-
gewob’ner Schleyer von Duft, umwallte die Ge-
gend umher ein blaues Licht, und die Berge ſchweb-
ten, wie die verklungenen Wuͤnſche unſerer Kind-
heit, aus ihren Fernen heruͤber. Der Garten mit
ſeinen dichten Ufergebuͤſchen ward wie eine dunkle
Wolke: nur die drey Saͤulen ragten in ſchwachem
Licht aus dem Dunkel, wie geheimnißvolle Truͤm-
mer einer entſchwundenen Urzeit.
Die Geliebte lag an meiner Bruſt und hatte
zaͤrtlich ihren Arm um meine Schultern geſchlun-
gen. Jhr blaſſes Antlitz blickte aus den Locken,
wie der weiße Mond aus dem dunkeln Aether. Wir
ſchwiegen: nur manchmal druͤckt’ ich die Liebende
waͤrmer an meine Bruſt, und kuͤßte die milchweiſ-
ſen Wangen.
Kein Laut aus der Ferne, nur das melodiſche
Plaͤtſchern des Waſſers beym Schlage des Ruders.
Da begann ich endlich:
Atalanta, fuͤhlſt du den ſtillen Geiſt, der uͤber
der ruhenden Gegend ſchwebt?
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