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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823.

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Phaethon an Theodor.

Jch habe die Sakontala mit ihr gelesen. Theodor,
zu sehen, wie die Tochter Kausikas und der himm-
lischen Nymphe Menaka, gleich einem jungen
Blatte, das noch keine Hand berührte, gleich einem
Diamant, der ungefeilt in seinem Urlicht schimmert,
die Liebliche unter ihren Blumen wandelt, den zar-
ten Schwestern ihrer Jugend, und unter den Ge-
spielen, mit ihr zu Lieb' und Blumenpflege verbunden,
wann der blasse Mond noch über den weißen dufti-
gen Bergen schwebt, die Morgenwolken, wie junge
Mädchenlippen im Osten dämmern, die Blumen
der Nacht sich schließen und der Pfau ins Thal
herunterflattert von den dunkeln felsenhohen Ge-
sträuchen; wie der Nachkomme Puru's, der feurige
Duschmanka das Mädchen mit dem Gazellenauge
schaut und glüht in Lieb' und Verlangen, und auch
sie, die Zarte, dem schönen Drang des Herzens
folgt, zu sehen, wie die holde Kranke, den balsa-
mischen Ustra auf dem Busen, und das Band von
den Fasern der Wasserlilienstängel an den Armen,
den Schwestern schüchtern ihr Gefühl gestehet, und

Phaethon an Theodor.

Jch habe die Sakontala mit ihr geleſen. Theodor,
zu ſehen, wie die Tochter Kauſikas und der himm-
liſchen Nymphe Menaka, gleich einem jungen
Blatte, das noch keine Hand beruͤhrte, gleich einem
Diamant, der ungefeilt in ſeinem Urlicht ſchimmert,
die Liebliche unter ihren Blumen wandelt, den zar-
ten Schweſtern ihrer Jugend, und unter den Ge-
ſpielen, mit ihr zu Lieb’ und Blumenpflege verbunden,
wann der blaſſe Mond noch uͤber den weißen dufti-
gen Bergen ſchwebt, die Morgenwolken, wie junge
Maͤdchenlippen im Oſten daͤmmern, die Blumen
der Nacht ſich ſchließen und der Pfau ins Thal
herunterflattert von den dunkeln felſenhohen Ge-
ſtraͤuchen; wie der Nachkomme Puru’s, der feurige
Duſchmanka das Maͤdchen mit dem Gazellenauge
ſchaut und gluͤht in Lieb’ und Verlangen, und auch
ſie, die Zarte, dem ſchoͤnen Drang des Herzens
folgt, zu ſehen, wie die holde Kranke, den balſa-
miſchen Uſtra auf dem Buſen, und das Band von
den Faſern der Waſſerlilienſtaͤngel an den Armen,
den Schweſtern ſchuͤchtern ihr Gefuͤhl geſtehet, und

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[93/0103] Phaethon an Theodor. Jch habe die Sakontala mit ihr geleſen. Theodor, zu ſehen, wie die Tochter Kauſikas und der himm- liſchen Nymphe Menaka, gleich einem jungen Blatte, das noch keine Hand beruͤhrte, gleich einem Diamant, der ungefeilt in ſeinem Urlicht ſchimmert, die Liebliche unter ihren Blumen wandelt, den zar- ten Schweſtern ihrer Jugend, und unter den Ge- ſpielen, mit ihr zu Lieb’ und Blumenpflege verbunden, wann der blaſſe Mond noch uͤber den weißen dufti- gen Bergen ſchwebt, die Morgenwolken, wie junge Maͤdchenlippen im Oſten daͤmmern, die Blumen der Nacht ſich ſchließen und der Pfau ins Thal herunterflattert von den dunkeln felſenhohen Ge- ſtraͤuchen; wie der Nachkomme Puru’s, der feurige Duſchmanka das Maͤdchen mit dem Gazellenauge ſchaut und gluͤht in Lieb’ und Verlangen, und auch ſie, die Zarte, dem ſchoͤnen Drang des Herzens folgt, zu ſehen, wie die holde Kranke, den balſa- miſchen Uſtra auf dem Buſen, und das Band von den Faſern der Waſſerlilienſtaͤngel an den Armen, den Schweſtern ſchuͤchtern ihr Gefuͤhl geſtehet, und

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton01_1823/103>, abgerufen am 22.11.2024.