schließlichkeit ihres Wesens läßt dieses zum ausschreiten¬ den Unmaß führen, denn das gedeihliche Maß giebt sich -- und zwar von selbst -- nur in der Gemeinsamkeit des Gleichartigen und doch Unterschiedenen; das Unmaß aber ist die absolute Unfreiheit eines Wesens, und diese Unfrei¬ heit stellt sich nothwendig als äußere Abhängigkeit dar. --
Die Tanzkunst gab in ihrer Trennung von der wahren Musik und namentlich auch von der Dichtkunst, nicht nur ihre höchste Fähigkeit auf, sondern sie verlor auch von ihrer Eigenthümlichkeit. Eigenthümlich ist nur das, was aus sich selbst zu erzeugen vermag: die Tanz¬ kunst war eine vollkommen eigenthümliche, so lange sie aus ihrem innersten Wesen und Bedürfnisse die Gesetze zu erzeugen vermochte, nach denen sie zur verständigungsfähi¬ gen Erscheinung kam. Heut zu Tage ist nur noch der Volks- der Nationaltanz eigenthümlich, denn auf unnachahmliche Weise giebt er aus sich, wie er in die Erscheinung tritt, sein besondres Wesen in Gebährde, Rhythmus und Takt kund, deren Gesetze er unwillkürlich selbst schuf, und die als Gesetze erst erkennbar, mittheilbar werden, wenn sie aus dem Volkskunstwerke, als sein ab¬ strahirtes Wesen, wirklich zum Dasein gebracht sind. Wei¬ tere Entwickelung des Volkstanzes zur reicheren, allfähi¬ gen Kunst ist nur in Verbindung mit der, durch ihn nicht allein beherrschten, sondern wiederum frei gebahrenden
ſchließlichkeit ihres Weſens läßt dieſes zum ausſchreiten¬ den Unmaß führen, denn das gedeihliche Maß giebt ſich — und zwar von ſelbſt — nur in der Gemeinſamkeit des Gleichartigen und doch Unterſchiedenen; das Unmaß aber iſt die abſolute Unfreiheit eines Weſens, und dieſe Unfrei¬ heit ſtellt ſich nothwendig als äußere Abhängigkeit dar. —
Die Tanzkunſt gab in ihrer Trennung von der wahren Muſik und namentlich auch von der Dichtkunſt, nicht nur ihre höchſte Fähigkeit auf, ſondern ſie verlor auch von ihrer Eigenthümlichkeit. Eigenthümlich iſt nur das, was aus ſich ſelbſt zu erzeugen vermag: die Tanz¬ kunſt war eine vollkommen eigenthümliche, ſo lange ſie aus ihrem innerſten Weſen und Bedürfniſſe die Geſetze zu erzeugen vermochte, nach denen ſie zur verſtändigungsfähi¬ gen Erſcheinung kam. Heut zu Tage iſt nur noch der Volks- der Nationaltanz eigenthümlich, denn auf unnachahmliche Weiſe giebt er aus ſich, wie er in die Erſcheinung tritt, ſein beſondres Weſen in Gebährde, Rhythmus und Takt kund, deren Geſetze er unwillkürlich ſelbſt ſchuf, und die als Geſetze erſt erkennbar, mittheilbar werden, wenn ſie aus dem Volkskunſtwerke, als ſein ab¬ ſtrahirtes Weſen, wirklich zum Daſein gebracht ſind. Wei¬ tere Entwickelung des Volkstanzes zur reicheren, allfähi¬ gen Kunſt iſt nur in Verbindung mit der, durch ihn nicht allein beherrſchten, ſondern wiederum frei gebahrenden
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ſchließlichkeit ihres Weſens läßt dieſes zum ausſchreiten¬
den Unmaß führen, denn das gedeihliche Maß giebt ſich
— und zwar von ſelbſt — nur in der Gemeinſamkeit des
Gleichartigen und doch Unterſchiedenen; das Unmaß aber
iſt die abſolute Unfreiheit eines Weſens, und dieſe Unfrei¬
heit ſtellt ſich nothwendig als äußere Abhängigkeit dar. —
Die Tanzkunſt gab in ihrer Trennung von der
wahren Muſik und namentlich auch von der Dichtkunſt,
nicht nur ihre höchſte Fähigkeit auf, ſondern ſie verlor auch
von ihrer Eigenthümlichkeit. Eigenthümlich iſt nur
das, was aus ſich ſelbſt zu erzeugen vermag: die Tanz¬
kunſt war eine vollkommen eigenthümliche, ſo lange ſie
aus ihrem innerſten Weſen und Bedürfniſſe die Geſetze zu
erzeugen vermochte, nach denen ſie zur verſtändigungsfähi¬
gen Erſcheinung kam. Heut zu Tage iſt nur noch der
Volks- der Nationaltanz eigenthümlich, denn auf
unnachahmliche Weiſe giebt er aus ſich, wie er in die
Erſcheinung tritt, ſein beſondres Weſen in Gebährde,
Rhythmus und Takt kund, deren Geſetze er unwillkürlich
ſelbſt ſchuf, und die als Geſetze erſt erkennbar, mittheilbar
werden, wenn ſie aus dem Volkskunſtwerke, als ſein ab¬
ſtrahirtes Weſen, wirklich zum Daſein gebracht ſind. Wei¬
tere Entwickelung des Volkstanzes zur reicheren, allfähi¬
gen Kunſt iſt nur in Verbindung mit der, durch ihn nicht
allein beherrſchten, ſondern wiederum frei gebahrenden
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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/79>, abgerufen am 16.02.2025.
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