digend, daher selbst unbefriedigt, unfrei: sie bleibt, bei höchster Vollendung ihres Ausdruckes für das Ohr oder gar nur für das combinirende, mittelbar ersetzende Denk¬ vermögen, bis zu ihrer verständigungsvollen Mittheilung auch an das Auge, nur eine wollende, noch nicht aber vollkommen könnende; können muß aber die Kunst, und vom Können hat sehr entsprechend in unsrer Sprache die Kunst auch ihren Namen. --
Sinnliches Schmerz- oder Wohlempfinden giebt der Leibesmensch unmittelbar an und mit den Gliedern seines Leibes kund, welche Schmerz oder Lust empfinden; Schmerz- oder Wohlempfinden des ganzen Leibes drückt er durch be¬ ziehungsvolle, zu einem Zusammenhange sich ergänzende Bewegung aller oder der ausdrucksfähigsten Glieder aus; aus der Beziehung zu einander selbst, dann aus dem Wechsel der sich ergänzenden, deutenden Bewegungen, endlich aus der mannigfachen Veränderung dieser Bewegungen -- wie sie von dem Wechsel der von weicher Ruhe bis zu leiden¬ schaftlichem Ungestüm bald allmälig, bald heftig schnell fortschreitenden Empfindungen bedingt werden, -- ent¬ stehen die Gesetze unendlich wechselnder Bewegung selbst, nach denen der künstlerisch sich darstellende Mensch sich kund giebt. Der von rohester Leidenschaftlichkeit beherrschte Wilde kennt in seinem Tanze fast keinen anderen Wechsel, als den gleichförmigsten Ungestümes und gleichförmigster,
digend, daher ſelbſt unbefriedigt, unfrei: ſie bleibt, bei höchſter Vollendung ihres Ausdruckes für das Ohr oder gar nur für das combinirende, mittelbar erſetzende Denk¬ vermögen, bis zu ihrer verſtändigungsvollen Mittheilung auch an das Auge, nur eine wollende, noch nicht aber vollkommen könnende; können muß aber die Kunſt, und vom Können hat ſehr entſprechend in unſrer Sprache die Kunſt auch ihren Namen. —
Sinnliches Schmerz- oder Wohlempfinden giebt der Leibesmenſch unmittelbar an und mit den Gliedern ſeines Leibes kund, welche Schmerz oder Luſt empfinden; Schmerz- oder Wohlempfinden des ganzen Leibes drückt er durch be¬ ziehungsvolle, zu einem Zuſammenhange ſich ergänzende Bewegung aller oder der ausdrucksfähigſten Glieder aus; aus der Beziehung zu einander ſelbſt, dann aus dem Wechſel der ſich ergänzenden, deutenden Bewegungen, endlich aus der mannigfachen Veränderung dieſer Bewegungen — wie ſie von dem Wechſel der von weicher Ruhe bis zu leiden¬ ſchaftlichem Ungeſtüm bald allmälig, bald heftig ſchnell fortſchreitenden Empfindungen bedingt werden, — ent¬ ſtehen die Geſetze unendlich wechſelnder Bewegung ſelbſt, nach denen der künſtleriſch ſich darſtellende Menſch ſich kund giebt. Der von roheſter Leidenſchaftlichkeit beherrſchte Wilde kennt in ſeinem Tanze faſt keinen anderen Wechſel, als den gleichförmigſten Ungeſtümes und gleichförmigſter,
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digend, daher ſelbſt unbefriedigt, unfrei: ſie bleibt, bei
höchſter Vollendung ihres Ausdruckes für das Ohr oder
gar nur für das combinirende, mittelbar erſetzende Denk¬
vermögen, bis zu ihrer verſtändigungsvollen Mittheilung
auch an das Auge, nur eine wollende, noch nicht aber
vollkommen könnende; können muß aber die Kunſt, und
vom Können hat ſehr entſprechend in unſrer Sprache die
Kunſt auch ihren Namen. —
Sinnliches Schmerz- oder Wohlempfinden giebt der
Leibesmenſch unmittelbar an und mit den Gliedern ſeines
Leibes kund, welche Schmerz oder Luſt empfinden; Schmerz-
oder Wohlempfinden des ganzen Leibes drückt er durch be¬
ziehungsvolle, zu einem Zuſammenhange ſich ergänzende
Bewegung aller oder der ausdrucksfähigſten Glieder aus;
aus der Beziehung zu einander ſelbſt, dann aus dem Wechſel
der ſich ergänzenden, deutenden Bewegungen, endlich aus
der mannigfachen Veränderung dieſer Bewegungen — wie
ſie von dem Wechſel der von weicher Ruhe bis zu leiden¬
ſchaftlichem Ungeſtüm bald allmälig, bald heftig ſchnell
fortſchreitenden Empfindungen bedingt werden, — ent¬
ſtehen die Geſetze unendlich wechſelnder Bewegung ſelbſt,
nach denen der künſtleriſch ſich darſtellende Menſch ſich kund
giebt. Der von roheſter Leidenſchaftlichkeit beherrſchte
Wilde kennt in ſeinem Tanze faſt keinen anderen Wechſel,
als den gleichförmigſten Ungeſtümes und gleichförmigſter,
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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/68>, abgerufen am 16.02.2025.
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