Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

fähigkeit des äußern leiblichen Menschen für die Eigenschaft
des auszudrückenden und mitzutheilenden, inneren Herzens¬
gefühles an das Auge, seine Schranke findet, da tritt die
entscheidende Mittheilung durch den Ton der Stimme an das
Gehör, und durch das Gehör an das Herzensgefühl ein.

Wo jedoch wiederum der unmittelbare Ausdruck des
Tones der Stimme, in der Mittheilung und genau unter¬
scheidbaren Bestimmtheit der einzelnen Herzensgefühle an
den mitfühlenden und theilnehmenden inneren Menschen,
seine Schranke findet, da tritt der, durch den Ton der
Stimme vermittelte, Ausdruck der Sprache ein. Die
Sprache ist das verdichtete Element der Stimme, das
Wort die gefestigte Masse des Tones. In ihr theilt
sich das Gefühl durch das Gehör an das Gefühl mit, aber
an das ebenfalls zu verdichtende, zu gefestigende Gefühl,
dem es sich zum sicheren unfehlbaren Verständnisse bringen
will. Sie ist somit das Organ des sich verstehenden und
nach Verständigung verlangenden besonderen Gefühles, des
Verstandes. -- Dem unbestimmteren, allgemeinen Ge¬
fühle genügte die unmittelbare Eigenschaft des Tones; es
verweilte daher bei ihm, als dem an und für sich schon befrie¬
digenden, sinnlich wohlgefälligen Ausdrucke: in der Quan¬
tität seiner Ausdehnung vermochte es sogar seine eigene
Qualität in ihrer Allgemeinheit bezeichnend auszusprechen.
Das bestimmte Bedürfniß, das sich in der Sprache

fähigkeit des äußern leiblichen Menſchen für die Eigenſchaft
des auszudrückenden und mitzutheilenden, inneren Herzens¬
gefühles an das Auge, ſeine Schranke findet, da tritt die
entſcheidende Mittheilung durch den Ton der Stimme an das
Gehör, und durch das Gehör an das Herzensgefühl ein.

Wo jedoch wiederum der unmittelbare Ausdruck des
Tones der Stimme, in der Mittheilung und genau unter¬
ſcheidbaren Beſtimmtheit der einzelnen Herzensgefühle an
den mitfühlenden und theilnehmenden inneren Menſchen,
ſeine Schranke findet, da tritt der, durch den Ton der
Stimme vermittelte, Ausdruck der Sprache ein. Die
Sprache iſt das verdichtete Element der Stimme, das
Wort die gefeſtigte Maſſe des Tones. In ihr theilt
ſich das Gefühl durch das Gehör an das Gefühl mit, aber
an das ebenfalls zu verdichtende, zu gefeſtigende Gefühl,
dem es ſich zum ſicheren unfehlbaren Verſtändniſſe bringen
will. Sie iſt ſomit das Organ des ſich verſtehenden und
nach Verſtändigung verlangenden beſonderen Gefühles, des
Verſtandes. — Dem unbeſtimmteren, allgemeinen Ge¬
fühle genügte die unmittelbare Eigenſchaft des Tones; es
verweilte daher bei ihm, als dem an und für ſich ſchon befrie¬
digenden, ſinnlich wohlgefälligen Ausdrucke: in der Quan¬
tität ſeiner Ausdehnung vermochte es ſogar ſeine eigene
Qualität in ihrer Allgemeinheit bezeichnend auszuſprechen.
Das beſtimmte Bedürfniß, das ſich in der Sprache

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0055" n="39"/>
fähigkeit des äußern leiblichen Men&#x017F;chen für die Eigen&#x017F;chaft<lb/>
des auszudrückenden und mitzutheilenden, inneren Herzens¬<lb/>
gefühles an das Auge, &#x017F;eine Schranke findet, da tritt die<lb/>
ent&#x017F;cheidende Mittheilung durch den Ton der Stimme an das<lb/>
Gehör, und durch das Gehör an das Herzensgefühl ein.</p><lb/>
          <p>Wo jedoch wiederum der unmittelbare Ausdruck des<lb/>
Tones der Stimme, in der Mittheilung und genau unter¬<lb/>
&#x017F;cheidbaren Be&#x017F;timmtheit der einzelnen Herzensgefühle an<lb/>
den mitfühlenden und theilnehmenden inneren Men&#x017F;chen,<lb/>
&#x017F;eine Schranke findet, da tritt der, durch den Ton der<lb/>
Stimme vermittelte, Ausdruck der <hi rendition="#g">Sprache</hi> ein. Die<lb/><hi rendition="#g">Sprache</hi> i&#x017F;t das verdichtete Element der Stimme, das<lb/>
Wort die <hi rendition="#g">gefe&#x017F;tigte Ma&#x017F;&#x017F;e</hi> des Tones. In ihr theilt<lb/>
&#x017F;ich das Gefühl durch das Gehör an das Gefühl mit, aber<lb/>
an das ebenfalls zu verdichtende, zu gefe&#x017F;tigende Gefühl,<lb/>
dem es &#x017F;ich zum &#x017F;icheren unfehlbaren Ver&#x017F;tändni&#x017F;&#x017F;e bringen<lb/>
will. Sie i&#x017F;t &#x017F;omit das Organ des &#x017F;ich ver&#x017F;tehenden und<lb/>
nach Ver&#x017F;tändigung verlangenden be&#x017F;onderen Gefühles, des<lb/>
Ver&#x017F;tandes. &#x2014; Dem unbe&#x017F;timmteren, allgemeinen Ge¬<lb/>
fühle genügte die unmittelbare Eigen&#x017F;chaft des Tones; es<lb/>
verweilte daher bei ihm, als dem an und für &#x017F;ich &#x017F;chon befrie¬<lb/>
digenden, &#x017F;innlich wohlgefälligen Ausdrucke: in der Quan¬<lb/>
tität &#x017F;einer Ausdehnung vermochte es &#x017F;ogar &#x017F;eine eigene<lb/>
Qualität in ihrer Allgemeinheit bezeichnend auszu&#x017F;prechen.<lb/>
Das <hi rendition="#g">be&#x017F;timmte</hi> Bedürfniß, das &#x017F;ich in der Sprache<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0055] fähigkeit des äußern leiblichen Menſchen für die Eigenſchaft des auszudrückenden und mitzutheilenden, inneren Herzens¬ gefühles an das Auge, ſeine Schranke findet, da tritt die entſcheidende Mittheilung durch den Ton der Stimme an das Gehör, und durch das Gehör an das Herzensgefühl ein. Wo jedoch wiederum der unmittelbare Ausdruck des Tones der Stimme, in der Mittheilung und genau unter¬ ſcheidbaren Beſtimmtheit der einzelnen Herzensgefühle an den mitfühlenden und theilnehmenden inneren Menſchen, ſeine Schranke findet, da tritt der, durch den Ton der Stimme vermittelte, Ausdruck der Sprache ein. Die Sprache iſt das verdichtete Element der Stimme, das Wort die gefeſtigte Maſſe des Tones. In ihr theilt ſich das Gefühl durch das Gehör an das Gefühl mit, aber an das ebenfalls zu verdichtende, zu gefeſtigende Gefühl, dem es ſich zum ſicheren unfehlbaren Verſtändniſſe bringen will. Sie iſt ſomit das Organ des ſich verſtehenden und nach Verſtändigung verlangenden beſonderen Gefühles, des Verſtandes. — Dem unbeſtimmteren, allgemeinen Ge¬ fühle genügte die unmittelbare Eigenſchaft des Tones; es verweilte daher bei ihm, als dem an und für ſich ſchon befrie¬ digenden, ſinnlich wohlgefälligen Ausdrucke: in der Quan¬ tität ſeiner Ausdehnung vermochte es ſogar ſeine eigene Qualität in ihrer Allgemeinheit bezeichnend auszuſprechen. Das beſtimmte Bedürfniß, das ſich in der Sprache

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/55
Zitationshilfe: Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/55>, abgerufen am 28.11.2024.