Sind die Bedingungen aufgehoben, die dem Ueber¬ flüßigen gestatten vom Marke des Nothwendigen zu zehren, so stehen von selbst die Bedingungen da, welche das Noth¬ wendige, das Wahre, das Unvergängliche in das Leben rufen: sind die Bedingungen aufgehoben, die das Bedürf¬ niß des Luxus bestehen lassen, so sind von selbst die Be¬ dingungen gegeben, welche das nothwendige Bedürfniß des Menschen durch den üppigsten Ueberfluß der Natur und der eignen menschlichen Erzeugungsfähigkeit im undenklich reichsten, dennoch aber entsprechendsten Maße zu befriedigen vermögen. Sind die Bedingungen der Herrschaft der Mode aufgehoben, so sind aber auch die Bedingungen der wahren Kunst von selbst vorhanden, und wie mit einem Zauberschlage wird sie, die Zeugin edelsten Men¬ schenthumes, die hochheilige, herrliche Kunst, in derselben Fülle und Vollendung blühen, wie die Natur, als die Bedingungen ihrer jetzt uns erschlossenen harmonischen Gestaltung aus den Geburtswehen der Elemente hervor¬ gingen: gleich dieser seligen Harmonie der Natur wird sie aber dauern und immer zeugend sich erhalten, als reinste, vollendetste Befriedigung des edelsten und wahr¬ sten Bedürfnisses des vollkommenen Menschen, d. i. des Menschen, der das ist, was er seinem Wesen nach sein kann und deshalb sein soll und wird.
Sind die Bedingungen aufgehoben, die dem Ueber¬ flüßigen geſtatten vom Marke des Nothwendigen zu zehren, ſo ſtehen von ſelbſt die Bedingungen da, welche das Noth¬ wendige, das Wahre, das Unvergängliche in das Leben rufen: ſind die Bedingungen aufgehoben, die das Bedürf¬ niß des Luxus beſtehen laſſen, ſo ſind von ſelbſt die Be¬ dingungen gegeben, welche das nothwendige Bedürfniß des Menſchen durch den üppigſten Ueberfluß der Natur und der eignen menſchlichen Erzeugungsfähigkeit im undenklich reichſten, dennoch aber entſprechendſten Maße zu befriedigen vermögen. Sind die Bedingungen der Herrſchaft der Mode aufgehoben, ſo ſind aber auch die Bedingungen der wahren Kunſt von ſelbſt vorhanden, und wie mit einem Zauberſchlage wird ſie, die Zeugin edelſten Men¬ ſchenthumes, die hochheilige, herrliche Kunſt, in derſelben Fülle und Vollendung blühen, wie die Natur, als die Bedingungen ihrer jetzt uns erſchloſſenen harmoniſchen Geſtaltung aus den Geburtswehen der Elemente hervor¬ gingen: gleich dieſer ſeligen Harmonie der Natur wird ſie aber dauern und immer zeugend ſich erhalten, als reinſte, vollendetſte Befriedigung des edelſten und wahr¬ ſten Bedürfniſſes des vollkommenen Menſchen, d. i. des Menſchen, der das iſt, was er ſeinem Weſen nach ſein kann und deshalb ſein ſoll und wird.
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Sind die Bedingungen aufgehoben, die dem Ueber¬
flüßigen geſtatten vom Marke des Nothwendigen zu zehren,
ſo ſtehen von ſelbſt die Bedingungen da, welche das Noth¬
wendige, das Wahre, das Unvergängliche in das Leben
rufen: ſind die Bedingungen aufgehoben, die das Bedürf¬
niß des Luxus beſtehen laſſen, ſo ſind von ſelbſt die Be¬
dingungen gegeben, welche das nothwendige Bedürfniß
des Menſchen durch den üppigſten Ueberfluß der Natur und
der eignen menſchlichen Erzeugungsfähigkeit im undenklich
reichſten, dennoch aber entſprechendſten Maße zu befriedigen
vermögen. Sind die Bedingungen der Herrſchaft der
Mode aufgehoben, ſo ſind aber auch die Bedingungen der
wahren Kunſt von ſelbſt vorhanden, und wie mit
einem Zauberſchlage wird ſie, die Zeugin edelſten Men¬
ſchenthumes, die hochheilige, herrliche Kunſt, in derſelben
Fülle und Vollendung blühen, wie die Natur, als die
Bedingungen ihrer jetzt uns erſchloſſenen harmoniſchen
Geſtaltung aus den Geburtswehen der Elemente hervor¬
gingen: gleich dieſer ſeligen Harmonie der Natur wird
ſie aber dauern und immer zeugend ſich erhalten, als
reinſte, vollendetſte Befriedigung des edelſten und wahr¬
ſten Bedürfniſſes des vollkommenen Menſchen, d. i. des
Menſchen, der das iſt, was er ſeinem Weſen nach ſein
kann und deshalb ſein ſoll und wird.
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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/38>, abgerufen am 17.02.2025.
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