Das Volk also wird die Erlösung vollbringen, in¬ dem es sich genügt und zugleich seine eigenen Feinde erlöst. Sein Verfahren wird das Unwillkürliche der Natur sein: mit der Nothwendigkeit elementarischen Waltens wird es den Zusammenhang zerreißen, der einzig die Bedingun¬ gen der Herrschaft der Unnatur ausmacht. So lange diese Bedingungen bestehen, so lange sie ihren Lebenssaft aus der vergeudeten Kraft des Volkes saugen, so lange sie -- selbst zeugungsunfähig -- die Zeugungsfähigkeit des Volkes nutzlos in ihrem egoistischen Bestehen aufzehren, -- so lange ist auch alles Deuten, Schaffen, Aendern, Bessern, Reformiren *)in diesen Zuständen nur willkürlich, zweck- und fruchtlos. Das Volk braucht aber nur das durch die That zu verneinen, was in der That nichts -- nämlich unnöthig, überflüssig, nichtig -- ist; es braucht dabei nur zu wissen was es nicht will, und dieses lehrt ihm sein unwillkürlicher Lebenstrieb; es braucht dieses Nichtge¬ wollte durch die Kraft seiner Noth nur zu einem Nicht¬ seienden zu machen, das Vernichtungswerthe zu vernich¬ ten, so steht das Etwas der enträthselten Zukunft auch schon von selbst da.
*) Wer nährt wohl weniger Hoffnung für den Erfolg seiner reformatorischen Bemühungen, als Derjenige, der gerade am redlichsten dabei verfährt?
Das Volk alſo wird die Erlöſung vollbringen, in¬ dem es ſich genügt und zugleich ſeine eigenen Feinde erlöſt. Sein Verfahren wird das Unwillkürliche der Natur ſein: mit der Nothwendigkeit elementariſchen Waltens wird es den Zuſammenhang zerreißen, der einzig die Bedingun¬ gen der Herrſchaft der Unnatur ausmacht. So lange dieſe Bedingungen beſtehen, ſo lange ſie ihren Lebensſaft aus der vergeudeten Kraft des Volkes ſaugen, ſo lange ſie — ſelbſt zeugungsunfähig — die Zeugungsfähigkeit des Volkes nutzlos in ihrem egoiſtiſchen Beſtehen aufzehren, — ſo lange iſt auch alles Deuten, Schaffen, Aendern, Beſſern, Reformiren *)in dieſen Zuſtänden nur willkürlich, zweck- und fruchtlos. Das Volk braucht aber nur das durch die That zu verneinen, was in der That nichts — nämlich unnöthig, überflüſſig, nichtig — iſt; es braucht dabei nur zu wiſſen was es nicht will, und dieſes lehrt ihm ſein unwillkürlicher Lebenstrieb; es braucht dieſes Nichtge¬ wollte durch die Kraft ſeiner Noth nur zu einem Nicht¬ ſeienden zu machen, das Vernichtungswerthe zu vernich¬ ten, ſo ſteht das Etwas der enträthſelten Zukunft auch ſchon von ſelbſt da.
*) Wer nährt wohl weniger Hoffnung für den Erfolg ſeiner reformatoriſchen Bemühungen, als Derjenige, der gerade am redlichſten dabei verfährt?
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Das Volk alſo wird die Erlöſung vollbringen, in¬
dem es ſich genügt und zugleich ſeine eigenen Feinde erlöſt.
Sein Verfahren wird das Unwillkürliche der Natur ſein:
mit der Nothwendigkeit elementariſchen Waltens wird es
den Zuſammenhang zerreißen, der einzig die Bedingun¬
gen der Herrſchaft der Unnatur ausmacht. So lange dieſe
Bedingungen beſtehen, ſo lange ſie ihren Lebensſaft aus
der vergeudeten Kraft des Volkes ſaugen, ſo lange ſie — ſelbſt
zeugungsunfähig — die Zeugungsfähigkeit des Volkes
nutzlos in ihrem egoiſtiſchen Beſtehen aufzehren, — ſo
lange iſt auch alles Deuten, Schaffen, Aendern, Beſſern,
Reformiren *)in dieſen Zuſtänden nur willkürlich, zweck-
und fruchtlos. Das Volk braucht aber nur das durch die
That zu verneinen, was in der That nichts — nämlich
unnöthig, überflüſſig, nichtig — iſt; es braucht dabei
nur zu wiſſen was es nicht will, und dieſes lehrt ihm ſein
unwillkürlicher Lebenstrieb; es braucht dieſes Nichtge¬
wollte durch die Kraft ſeiner Noth nur zu einem Nicht¬
ſeienden zu machen, das Vernichtungswerthe zu vernich¬
ten, ſo ſteht das Etwas der enträthſelten Zukunft auch
ſchon von ſelbſt da.
*)
Wer nährt wohl weniger Hoffnung für den Erfolg ſeiner
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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/37>, abgerufen am 22.07.2024.
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