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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.

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vergessen hatten, daß einst ein armer Hirtensohn durch sei¬
nen klugen Rath sie und ihr Land vor dem Hungertode
bewahrte! Das Volk, das auserwählte Volk, zog aber
unversehrt durch das rothe Meer nach dem Lande der Ver¬
heißung, das es erreichte nachdem der Sand der Wüste die
letzten Flecken knechtischen Schmutzes von seinem Leibe ge¬
waschen hatte. --

Da die armen Israeliten mich einmal in das Gebiet
der schönsten aller Dichtung, der ewig neuen, ewig wahren
Volksdichtung geleitet haben, so will ich zum Abschiede
noch den Inhalt einer herrlichen Sage zur Deutung geben,
die sich einst das rohe, uncivilisirte Volk der alten Ger¬
manen, aus keinem anderen Grunde als dem innerer Noth¬
wendigkeit, gedichtet hat.


Wiland der Schmied schuf aus Lust und Freude
an seinem Thun die kunstreichsten Geschmeide, herrliche
Waffen scharf und schön. Da er am Meeresstrande badete,
gewahrte er eine Schwanenjungfrau, die mit ihren
Schwestern durch die Lüfte geflogen kam, ihr Schwanenge¬
wand ablegte, und ebenfalls in die Wellen des Meeres sich
tauchte. Von heißer Liebe entbrannte Wiland; er stürzte

vergeſſen hatten, daß einſt ein armer Hirtenſohn durch ſei¬
nen klugen Rath ſie und ihr Land vor dem Hungertode
bewahrte! Das Volk, das auserwählte Volk, zog aber
unverſehrt durch das rothe Meer nach dem Lande der Ver¬
heißung, das es erreichte nachdem der Sand der Wüſte die
letzten Flecken knechtiſchen Schmutzes von ſeinem Leibe ge¬
waſchen hatte. —

Da die armen Iſraeliten mich einmal in das Gebiet
der ſchönſten aller Dichtung, der ewig neuen, ewig wahren
Volksdichtung geleitet haben, ſo will ich zum Abſchiede
noch den Inhalt einer herrlichen Sage zur Deutung geben,
die ſich einſt das rohe, unciviliſirte Volk der alten Ger¬
manen, aus keinem anderen Grunde als dem innerer Noth¬
wendigkeit, gedichtet hat.


Wiland der Schmied ſchuf aus Luſt und Freude
an ſeinem Thun die kunſtreichſten Geſchmeide, herrliche
Waffen ſcharf und ſchön. Da er am Meeresſtrande badete,
gewahrte er eine Schwanenjungfrau, die mit ihren
Schweſtern durch die Lüfte geflogen kam, ihr Schwanenge¬
wand ablegte, und ebenfalls in die Wellen des Meeres ſich
tauchte. Von heißer Liebe entbrannte Wiland; er ſtürzte

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[229/0245] vergeſſen hatten, daß einſt ein armer Hirtenſohn durch ſei¬ nen klugen Rath ſie und ihr Land vor dem Hungertode bewahrte! Das Volk, das auserwählte Volk, zog aber unverſehrt durch das rothe Meer nach dem Lande der Ver¬ heißung, das es erreichte nachdem der Sand der Wüſte die letzten Flecken knechtiſchen Schmutzes von ſeinem Leibe ge¬ waſchen hatte. — Da die armen Iſraeliten mich einmal in das Gebiet der ſchönſten aller Dichtung, der ewig neuen, ewig wahren Volksdichtung geleitet haben, ſo will ich zum Abſchiede noch den Inhalt einer herrlichen Sage zur Deutung geben, die ſich einſt das rohe, unciviliſirte Volk der alten Ger¬ manen, aus keinem anderen Grunde als dem innerer Noth¬ wendigkeit, gedichtet hat. Wiland der Schmied ſchuf aus Luſt und Freude an ſeinem Thun die kunſtreichſten Geſchmeide, herrliche Waffen ſcharf und ſchön. Da er am Meeresſtrande badete, gewahrte er eine Schwanenjungfrau, die mit ihren Schweſtern durch die Lüfte geflogen kam, ihr Schwanenge¬ wand ablegte, und ebenfalls in die Wellen des Meeres ſich tauchte. Von heißer Liebe entbrannte Wiland; er ſtürzte

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Zitationshilfe: Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/245>, abgerufen am 22.11.2024.