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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.

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Annahmen über ihren nur möglichen Abschluß nicht mehr
sich bilden können. Erst an dem im Leben Vollendeten
vermögen wir die Nothwendigkeit seiner Erscheinung zu
fassen, den Zusammenhang seiner einzelnen Momente zu
begreifen: eine Handlung ist aber erst vollendet, wenn der
Mensch, von dem diese Handlung vollbracht wurde, der
im Mittelpunkt einer Begebenheit stand, die er als füh¬
lende, denkende und wollende Person, nach seinem nothwen¬
digen Wesen leitete, willkürlichen Annahmen über sein
mögliches Thun ebenfalls nicht mehr unterworfen ist; die¬
sen unterworfen ist aber ein Mensch, so lange er lebt,
erst mit seinem Tode ist er von dieser Unterworfenheit be¬
freit, denn wir wissen nun Alles was er that und was er
war. Diejenige Handlung muß der dramatischen Kunst
als geeignetster und würdigster Gegenstand der Darstellung
erscheinen, die mit dem Leben der sie bestimmenden Haupt¬
person zugleich abschließt, deren Abschluß in Wahrheit kein
anderer ist, als der Abschluß des Lebens dieses Menschen
selbst. Nur die Handlung ist eine vollkommen wahrhafte
und ihre Nothwendigkeit uns klar darthuende, an deren
Vollbringung ein Mensch die ganze Kraft seines Wesens
setzte, die ihm so nothwendig und unerläßlich war, daß er
mit der ganzen Kraft seines Wesens in ihr aufgehen mußte.
Davon überzeugt er uns auf das Unwiderleglichste aber
nur dadurch, daß er in der Geltendmachung der Kraft sei¬

Annahmen über ihren nur möglichen Abſchluß nicht mehr
ſich bilden können. Erſt an dem im Leben Vollendeten
vermögen wir die Nothwendigkeit ſeiner Erſcheinung zu
faſſen, den Zuſammenhang ſeiner einzelnen Momente zu
begreifen: eine Handlung iſt aber erſt vollendet, wenn der
Menſch, von dem dieſe Handlung vollbracht wurde, der
im Mittelpunkt einer Begebenheit ſtand, die er als füh¬
lende, denkende und wollende Perſon, nach ſeinem nothwen¬
digen Weſen leitete, willkürlichen Annahmen über ſein
mögliches Thun ebenfalls nicht mehr unterworfen iſt; die¬
ſen unterworfen iſt aber ein Menſch, ſo lange er lebt,
erſt mit ſeinem Tode iſt er von dieſer Unterworfenheit be¬
freit, denn wir wiſſen nun Alles was er that und was er
war. Diejenige Handlung muß der dramatiſchen Kunſt
als geeignetſter und würdigſter Gegenſtand der Darſtellung
erſcheinen, die mit dem Leben der ſie beſtimmenden Haupt¬
perſon zugleich abſchließt, deren Abſchluß in Wahrheit kein
anderer iſt, als der Abſchluß des Lebens dieſes Menſchen
ſelbſt. Nur die Handlung iſt eine vollkommen wahrhafte
und ihre Nothwendigkeit uns klar darthuende, an deren
Vollbringung ein Menſch die ganze Kraft ſeines Weſens
ſetzte, die ihm ſo nothwendig und unerläßlich war, daß er
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Davon überzeugt er uns auf das Unwiderleglichſte aber
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[209/0225] Annahmen über ihren nur möglichen Abſchluß nicht mehr ſich bilden können. Erſt an dem im Leben Vollendeten vermögen wir die Nothwendigkeit ſeiner Erſcheinung zu faſſen, den Zuſammenhang ſeiner einzelnen Momente zu begreifen: eine Handlung iſt aber erſt vollendet, wenn der Menſch, von dem dieſe Handlung vollbracht wurde, der im Mittelpunkt einer Begebenheit ſtand, die er als füh¬ lende, denkende und wollende Perſon, nach ſeinem nothwen¬ digen Weſen leitete, willkürlichen Annahmen über ſein mögliches Thun ebenfalls nicht mehr unterworfen iſt; die¬ ſen unterworfen iſt aber ein Menſch, ſo lange er lebt, erſt mit ſeinem Tode iſt er von dieſer Unterworfenheit be¬ freit, denn wir wiſſen nun Alles was er that und was er war. Diejenige Handlung muß der dramatiſchen Kunſt als geeignetſter und würdigſter Gegenſtand der Darſtellung erſcheinen, die mit dem Leben der ſie beſtimmenden Haupt¬ perſon zugleich abſchließt, deren Abſchluß in Wahrheit kein anderer iſt, als der Abſchluß des Lebens dieſes Menſchen ſelbſt. Nur die Handlung iſt eine vollkommen wahrhafte und ihre Nothwendigkeit uns klar darthuende, an deren Vollbringung ein Menſch die ganze Kraft ſeines Weſens ſetzte, die ihm ſo nothwendig und unerläßlich war, daß er mit der ganzen Kraft ſeines Weſens in ihr aufgehen mußte. Davon überzeugt er uns auf das Unwiderleglichſte aber nur dadurch, daß er in der Geltendmachung der Kraft ſei¬

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Zitationshilfe: Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/225>, abgerufen am 22.11.2024.