hellen farbigen Gestaltungen der Malerkunst die wunder¬ vollen, bedeutungsreichen Scenen für das Auge festzuhalten suchte, die zu unmittelbaren lebenswarmen Eindrucke sich nicht mehr darboten.
So feierte das griechische Kunstwerk in der Malerei seine Nachblüthe. Diese Blüthe war nicht mehr jene dem reichsten Leben unwillkürlich und naturnothwendig entsprießende, ihre Nothwendigkeit war vielmehr eine Kulturnothwendigkeit; sie ging aus einem bewußten, willkürlichen Drange hervor, nämlich dem Wissen von der Schönheit der Kunst, und dem Willen, diese Schönheit gleichsam zum Verweilen in einem Leben zu zwingen, dem sie unbewußt unwillkür¬ lich nicht mehr als nothwendiger Ausdruck seiner innersten Seele angehörte. Die Kunst, die ohne Geheiß und ganz von selbst aus der Gemeinsamkeit des Volkslebens aufgeblüht war, hatte durch ihr wirkliches Vorhandensein und an der Betrach¬ tung ihrer Erscheinung zugleich auch den Begriff von ihr erst zum Dasein gebracht; denn nicht die Idee der Kunst hatte sie in das Leben gerufen, sondern sie, die wirklich vor¬ handene Kunst, hat die Idee von sich entwickelt. Die mit Naturnothwendigkeit treibende künstlerische Kraft des Volkes war nun erstorben; was sie geschaffen lebte nur noch in der Erinnerung oder in der künstlichen Wiederholung. Während das Volk in Allem, was es that, und namentlich auch in der Selbstvernichtung seiner nationalen Eigenthümlichkeit und
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hellen farbigen Geſtaltungen der Malerkunſt die wunder¬ vollen, bedeutungsreichen Scenen für das Auge feſtzuhalten ſuchte, die zu unmittelbaren lebenswarmen Eindrucke ſich nicht mehr darboten.
So feierte das griechiſche Kunſtwerk in der Malerei ſeine Nachblüthe. Dieſe Blüthe war nicht mehr jene dem reichſten Leben unwillkürlich und naturnothwendig entſprießende, ihre Nothwendigkeit war vielmehr eine Kulturnothwendigkeit; ſie ging aus einem bewußten, willkürlichen Drange hervor, nämlich dem Wiſſen von der Schönheit der Kunſt, und dem Willen, dieſe Schönheit gleichſam zum Verweilen in einem Leben zu zwingen, dem ſie unbewußt unwillkür¬ lich nicht mehr als nothwendiger Ausdruck ſeiner innerſten Seele angehörte. Die Kunſt, die ohne Geheiß und ganz von ſelbſt aus der Gemeinſamkeit des Volkslebens aufgeblüht war, hatte durch ihr wirkliches Vorhandenſein und an der Betrach¬ tung ihrer Erſcheinung zugleich auch den Begriff von ihr erſt zum Daſein gebracht; denn nicht die Idee der Kunſt hatte ſie in das Leben gerufen, ſondern ſie, die wirklich vor¬ handene Kunſt, hat die Idee von ſich entwickelt. Die mit Naturnothwendigkeit treibende künſtleriſche Kraft des Volkes war nun erſtorben; was ſie geſchaffen lebte nur noch in der Erinnerung oder in der künſtlichen Wiederholung. Während das Volk in Allem, was es that, und namentlich auch in der Selbſtvernichtung ſeiner nationalen Eigenthümlichkeit und
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hellen farbigen Geſtaltungen der Malerkunſt die wunder¬
vollen, bedeutungsreichen Scenen für das Auge feſtzuhalten
ſuchte, die zu unmittelbaren lebenswarmen Eindrucke ſich
nicht mehr darboten.
So feierte das griechiſche Kunſtwerk in der Malerei ſeine
Nachblüthe. Dieſe Blüthe war nicht mehr jene dem reichſten
Leben unwillkürlich und naturnothwendig entſprießende, ihre
Nothwendigkeit war vielmehr eine Kulturnothwendigkeit;
ſie ging aus einem bewußten, willkürlichen Drange hervor,
nämlich dem Wiſſen von der Schönheit der Kunſt, und
dem Willen, dieſe Schönheit gleichſam zum Verweilen
in einem Leben zu zwingen, dem ſie unbewußt unwillkür¬
lich nicht mehr als nothwendiger Ausdruck ſeiner innerſten
Seele angehörte. Die Kunſt, die ohne Geheiß und ganz von
ſelbſt aus der Gemeinſamkeit des Volkslebens aufgeblüht war,
hatte durch ihr wirkliches Vorhandenſein und an der Betrach¬
tung ihrer Erſcheinung zugleich auch den Begriff von ihr
erſt zum Daſein gebracht; denn nicht die Idee der Kunſt
hatte ſie in das Leben gerufen, ſondern ſie, die wirklich vor¬
handene Kunſt, hat die Idee von ſich entwickelt. Die mit
Naturnothwendigkeit treibende künſtleriſche Kraft des Volkes
war nun erſtorben; was ſie geſchaffen lebte nur noch in der
Erinnerung oder in der künſtlichen Wiederholung. Während
das Volk in Allem, was es that, und namentlich auch in der
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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/187>, abgerufen am 02.03.2025.
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