lebensfrohe schönheiterregende Gebahren dieses Glücklichen aussprach. Diese Liebe, die in dem edelsten, sinnlich- geistigen Genießen ihren Grund hatte, -- nicht unsre briefpostlich literarisch vermittelte, geistesgeschäftliche, nüchterne Freundschaft, -- war bei den Spartanern die einzige Erzieherin der Jugend, die nie alternde Lehre¬ rin des Jünglinges und Mannes, die Anordnerin der gemeinsamen Feste und kühnen Unternehmungen, ja die begeisternde Helferin in der Schlacht, indem sie es war, welche die Liebesgenossenschaften zu Kriegs¬ abtheilungen und Heerordnungen verband und die Taktik der Todeskühnheit zur Rettung des bedroh¬ ten, oder zur Rache für den gefallenen Geliebten nach unverbrüchlichsten, naturnothwendigsten Seelengesetzen vorschrieb. -- Der Spartaner, der somit unmittelbar im Leben sein reinmenschliches, gemeinschaftliches Kunstwerk ausführte, stellte sich dieses unwillkürlich auch nur in der Lyrik dar, diesem unmittelbarsten Ausdrucke der Freude an sich und am Leben, das in seiner nothwendigen Aeuße¬ rung kaum zum Bewußtsein der Kunst gelangt. Die spar¬ tanische Lyrik neigte sich, in der Blüthe des natürlichen dorischen Staates, auch so überwiegend zur ursprünglichen Basis aller Kunst, dem lebendigen Tanze, hin, daß -- charakteristisch genug! -- uns auch fast gar kein literarisches Denkmal derselben verblieben ist, eben weil sie nur reine sinn¬
lebensfrohe ſchönheiterregende Gebahren dieſes Glücklichen ausſprach. Dieſe Liebe, die in dem edelſten, ſinnlich- geiſtigen Genießen ihren Grund hatte, — nicht unſre briefpoſtlich literariſch vermittelte, geiſtesgeſchäftliche, nüchterne Freundſchaft, — war bei den Spartanern die einzige Erzieherin der Jugend, die nie alternde Lehre¬ rin des Jünglinges und Mannes, die Anordnerin der gemeinſamen Feſte und kühnen Unternehmungen, ja die begeiſternde Helferin in der Schlacht, indem ſie es war, welche die Liebesgenoſſenſchaften zu Kriegs¬ abtheilungen und Heerordnungen verband und die Taktik der Todeskühnheit zur Rettung des bedroh¬ ten, oder zur Rache für den gefallenen Geliebten nach unverbrüchlichſten, naturnothwendigſten Seelengeſetzen vorſchrieb. — Der Spartaner, der ſomit unmittelbar im Leben ſein reinmenſchliches, gemeinſchaftliches Kunſtwerk ausführte, ſtellte ſich dieſes unwillkürlich auch nur in der Lyrik dar, dieſem unmittelbarſten Ausdrucke der Freude an ſich und am Leben, das in ſeiner nothwendigen Aeuße¬ rung kaum zum Bewußtſein der Kunſt gelangt. Die ſpar¬ taniſche Lyrik neigte ſich, in der Blüthe des natürlichen doriſchen Staates, auch ſo überwiegend zur urſprünglichen Baſis aller Kunſt, dem lebendigen Tanze, hin, daß — charakteriſtiſch genug! — uns auch faſt gar kein literariſches Denkmal derſelben verblieben iſt, eben weil ſie nur reine ſinn¬
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lebensfrohe ſchönheiterregende Gebahren dieſes Glücklichen
ausſprach. Dieſe Liebe, die in dem edelſten, ſinnlich-
geiſtigen Genießen ihren Grund hatte, — nicht unſre
briefpoſtlich literariſch vermittelte, geiſtesgeſchäftliche,
nüchterne Freundſchaft, — war bei den Spartanern die
einzige Erzieherin der Jugend, die nie alternde Lehre¬
rin des Jünglinges und Mannes, die Anordnerin
der gemeinſamen Feſte und kühnen Unternehmungen, ja
die begeiſternde Helferin in der Schlacht, indem ſie es
war, welche die Liebesgenoſſenſchaften zu Kriegs¬
abtheilungen und Heerordnungen verband und die
Taktik der Todeskühnheit zur Rettung des bedroh¬
ten, oder zur Rache für den gefallenen Geliebten nach
unverbrüchlichſten, naturnothwendigſten Seelengeſetzen
vorſchrieb. — Der Spartaner, der ſomit unmittelbar im
Leben ſein reinmenſchliches, gemeinſchaftliches Kunſtwerk
ausführte, ſtellte ſich dieſes unwillkürlich auch nur in der
Lyrik dar, dieſem unmittelbarſten Ausdrucke der Freude
an ſich und am Leben, das in ſeiner nothwendigen Aeuße¬
rung kaum zum Bewußtſein der Kunſt gelangt. Die ſpar¬
taniſche Lyrik neigte ſich, in der Blüthe des natürlichen
doriſchen Staates, auch ſo überwiegend zur urſprünglichen
Baſis aller Kunſt, dem lebendigen Tanze, hin, daß —
charakteriſtiſch genug! — uns auch faſt gar kein literariſches
Denkmal derſelben verblieben iſt, eben weil ſie nur reine ſinn¬
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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/177>, abgerufen am 24.07.2024.
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