Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.früherer, aus Schönheitsbedürfniß producirender Zeiten, Die Baukunst hat in so fern alle demüthigenden Nur mit der Erlösung der egoistisch getrennten rein¬ früherer, aus Schönheitsbedürfniß producirender Zeiten, Die Baukunſt hat in ſo fern alle demüthigenden Nur mit der Erlöſung der egoiſtiſch getrennten rein¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0166" n="150"/> früherer, aus Schönheitsbedürfniß producirender Zeiten,<lb/><hi rendition="#g">ſtellt</hi> die Einzelheiten dieſer Werke nach luxuriöſem Belie¬<lb/> ben <hi rendition="#g">zuſammen</hi>, verbindet — aus unruhigem Verlangen<lb/> nach Abwechſelung — alle nationalen Bauſtyle der Welt<lb/> zu unzuſammenhängenden, ſcheckigen Geſtaltungen, kurz —<lb/> ſie verfährt nach der Willkür der Mode, deren frivole Ge¬<lb/> ſetze ſie zu den ihrigen machen muß, eben weil ſie nirgends<lb/> aus innerer, ſchöner Nothwendigkeit zu geſtalten hat.</p><lb/> <p>Die Baukunſt hat in ſo fern alle demüthigenden<lb/> Schickſale der getrennten, rein menſchlichen Kunſtarten an<lb/> ſich mit zu erleben, als ſie nur durch das Bedürfniß des,<lb/> ſich ſelbſt als ſchön kundgebenden oder nach dieſer Kund¬<lb/> gebung verlangenden Menſchen zu wahrhaft ſchöpferiſchem<lb/> Geſtalten veranlaßt werden kann. Genau mit dem Ver¬<lb/> blühen der griechiſchen Tragödie begann auch <hi rendition="#g">ihr</hi> Fall,<lb/> trat nämlich die Schwächung ihrer eigenthümlichen Pro¬<lb/> ductionskraft ein; und die üppigſten Monumente, die ſie zur<lb/> Verherrlichung des koloſſalen Egoismus der ſpäteren<lb/> Zeiten, ja ſelbſt desjenigen des chriſtlicher Glaubens, auf¬<lb/> richten mußte, erſcheinen gegen die erhabene Einfalt und<lb/> die tiefſinnige Bedeutſamkeit griechiſcher Gebäude zur Zeit<lb/> der Blüthe der Tragödie wie geile Auswüchſe üppiger<lb/> nächtlicher Träume gegen die heiteren Geburten des ſtrah¬<lb/> lenden, alldurchdringenden Tageslichtes.</p><lb/> <p>Nur mit der Erlöſung der egoiſtiſch getrennten rein¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [150/0166]
früherer, aus Schönheitsbedürfniß producirender Zeiten,
ſtellt die Einzelheiten dieſer Werke nach luxuriöſem Belie¬
ben zuſammen, verbindet — aus unruhigem Verlangen
nach Abwechſelung — alle nationalen Bauſtyle der Welt
zu unzuſammenhängenden, ſcheckigen Geſtaltungen, kurz —
ſie verfährt nach der Willkür der Mode, deren frivole Ge¬
ſetze ſie zu den ihrigen machen muß, eben weil ſie nirgends
aus innerer, ſchöner Nothwendigkeit zu geſtalten hat.
Die Baukunſt hat in ſo fern alle demüthigenden
Schickſale der getrennten, rein menſchlichen Kunſtarten an
ſich mit zu erleben, als ſie nur durch das Bedürfniß des,
ſich ſelbſt als ſchön kundgebenden oder nach dieſer Kund¬
gebung verlangenden Menſchen zu wahrhaft ſchöpferiſchem
Geſtalten veranlaßt werden kann. Genau mit dem Ver¬
blühen der griechiſchen Tragödie begann auch ihr Fall,
trat nämlich die Schwächung ihrer eigenthümlichen Pro¬
ductionskraft ein; und die üppigſten Monumente, die ſie zur
Verherrlichung des koloſſalen Egoismus der ſpäteren
Zeiten, ja ſelbſt desjenigen des chriſtlicher Glaubens, auf¬
richten mußte, erſcheinen gegen die erhabene Einfalt und
die tiefſinnige Bedeutſamkeit griechiſcher Gebäude zur Zeit
der Blüthe der Tragödie wie geile Auswüchſe üppiger
nächtlicher Träume gegen die heiteren Geburten des ſtrah¬
lenden, alldurchdringenden Tageslichtes.
Nur mit der Erlöſung der egoiſtiſch getrennten rein¬
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