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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.

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denn wo wir, wie unsren kolossalen Kirchendomen, noch
eine finstre, unerfreuende Majestät zu gewahren ver¬
mögen, erblicken wir leider von Schönheit blutwenig
mehr. Die eigentlichen Tempel unsrer modernen Religion,
die Börsengebäude, werden zwar sehr sinnreich wieder auf
griechische Säulen construirt; griechische Giebelfelder
laden zu Eisenbahnfahrten ein, und aus dem athenischen
Parthenon schreitet uns die abgelöste Militärwache entgegen,
-- aber, so erhebend auch diese Ausnahmen sind, so sind
sie doch eben nur Ausnahmen, und die Regel unsrer
Nützlichkeitsbaukunst ist unsäglich kleinlich und häßlich.
Das Anmuthigste und Großartigste, was aber auch die
moderne Baukunst hervorzubringen vermöchte, müßte sie je¬
doch immer ihrer schmäligsten Abhängigkeit inne werden
lassen: denn unsre öffentlichen, wie Privatbedürfnisse sind
der Art, daß die Baukunst, um ihnen zu entsprechen, nie
zu produziren, immer nur nachzuahmen, zusammenzustellen
vermag. Nur das wirkliche Bedürfniß macht erfinderisch:
das wirkliche Bedürfniß unserer Gegenwart äußert sich aber
nur im Sinne des stupidesten Utilismus; ihm können nur
mechanische Vorrichtungen, nicht aber künstlerische Gestal¬
tungen entsprechen. Was über dieß wirkliche Bedürfniß hin¬
ausliegt, ist aber das Bedürfniß des Luxus, des Unnöthigen
und durch Ueberflüssiges, Unnöthiges vermag ihm auch nur
die Baukunst zu dienen, d.h. sie wiederholt die Bauwerke

denn wo wir, wie unſren koloſſalen Kirchendomen, noch
eine finſtre, unerfreuende Majeſtät zu gewahren ver¬
mögen, erblicken wir leider von Schönheit blutwenig
mehr. Die eigentlichen Tempel unſrer modernen Religion,
die Börſengebäude, werden zwar ſehr ſinnreich wieder auf
griechiſche Säulen conſtruirt; griechiſche Giebelfelder
laden zu Eiſenbahnfahrten ein, und aus dem atheniſchen
Parthenon ſchreitet uns die abgelöſte Militärwache entgegen,
— aber, ſo erhebend auch dieſe Ausnahmen ſind, ſo ſind
ſie doch eben nur Ausnahmen, und die Regel unſrer
Nützlichkeitsbaukunſt iſt unſäglich kleinlich und häßlich.
Das Anmuthigſte und Großartigſte, was aber auch die
moderne Baukunſt hervorzubringen vermöchte, müßte ſie je¬
doch immer ihrer ſchmäligſten Abhängigkeit inne werden
laſſen: denn unſre öffentlichen, wie Privatbedürfniſſe ſind
der Art, daß die Baukunſt, um ihnen zu entſprechen, nie
zu produziren, immer nur nachzuahmen, zuſammenzuſtellen
vermag. Nur das wirkliche Bedürfniß macht erfinderiſch:
das wirkliche Bedürfniß unſerer Gegenwart äußert ſich aber
nur im Sinne des ſtupideſten Utilismus; ihm können nur
mechaniſche Vorrichtungen, nicht aber künſtleriſche Geſtal¬
tungen entſprechen. Was über dieß wirkliche Bedürfniß hin¬
ausliegt, iſt aber das Bedürfniß des Luxus, des Unnöthigen
und durch Ueberflüſſiges, Unnöthiges vermag ihm auch nur
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[149/0165] denn wo wir, wie unſren koloſſalen Kirchendomen, noch eine finſtre, unerfreuende Majeſtät zu gewahren ver¬ mögen, erblicken wir leider von Schönheit blutwenig mehr. Die eigentlichen Tempel unſrer modernen Religion, die Börſengebäude, werden zwar ſehr ſinnreich wieder auf griechiſche Säulen conſtruirt; griechiſche Giebelfelder laden zu Eiſenbahnfahrten ein, und aus dem atheniſchen Parthenon ſchreitet uns die abgelöſte Militärwache entgegen, — aber, ſo erhebend auch dieſe Ausnahmen ſind, ſo ſind ſie doch eben nur Ausnahmen, und die Regel unſrer Nützlichkeitsbaukunſt iſt unſäglich kleinlich und häßlich. Das Anmuthigſte und Großartigſte, was aber auch die moderne Baukunſt hervorzubringen vermöchte, müßte ſie je¬ doch immer ihrer ſchmäligſten Abhängigkeit inne werden laſſen: denn unſre öffentlichen, wie Privatbedürfniſſe ſind der Art, daß die Baukunſt, um ihnen zu entſprechen, nie zu produziren, immer nur nachzuahmen, zuſammenzuſtellen vermag. Nur das wirkliche Bedürfniß macht erfinderiſch: das wirkliche Bedürfniß unſerer Gegenwart äußert ſich aber nur im Sinne des ſtupideſten Utilismus; ihm können nur mechaniſche Vorrichtungen, nicht aber künſtleriſche Geſtal¬ tungen entſprechen. Was über dieß wirkliche Bedürfniß hin¬ ausliegt, iſt aber das Bedürfniß des Luxus, des Unnöthigen und durch Ueberflüſſiges, Unnöthiges vermag ihm auch nur die Baukunſt zu dienen, d.h. ſie wiederholt die Bauwerke

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Zitationshilfe: Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/165>, abgerufen am 04.12.2024.