Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.erschwert oder gar verwehrt wird, -- da, wo die Sorge Aber dieses Nützlichkeitsbemühen, dieser Prunk, erſchwert oder gar verwehrt wird, — da, wo die Sorge Aber dieſes Nützlichkeitsbemühen, dieſer Prunk, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0164" n="148"/> erſchwert oder gar verwehrt wird, — da, wo die Sorge<lb/> der Oeffentlichkeit alſo nur in der Fürſorge für Eſſen und<lb/> Trinken beſtand, und die möglichſte Stillung dieſer Sorge<lb/> zugleich als die Lebensbedingung der Herrſchaft der Reichen<lb/> und Cäſaren, und zwar in ſo rieſigem Verhältniſſe ſich<lb/> kundgab, wie unter der römiſchen Weltherrſchaft, — da<lb/> entſtanden die erſtaunlichen Straßen- und Waſſerleitun¬<lb/> gen, mit denen wir heut zu Tage durch unſre Eiſenbahn¬<lb/> ſtraßen zu wetteifern ſuchen; — da wurde die Natur zur<lb/><hi rendition="#g">melkenden Kuh</hi> und die Baukunſt zum <hi rendition="#g">Milcheimer</hi>:<lb/> die Pracht und Ueppigkeit der Reichen lebte von der klug<lb/> abgeſchöpften Ramenhaut der gewonnenen Milch, die man<lb/> blau und wäſſerig durch jene Waſſerleitungen dem lieben<lb/> Pöbel zuführte.</p><lb/> <p>Aber dieſes Nützlichkeitsbemühen, dieſer Prunk,<lb/> gewann bei den Römern großartige Form: die heitre<lb/> Griechenwelt lag ihnen auch noch nicht ſo fern, daß ſie<lb/> durch ihre nüchterne Praktik, wie aus ihrem aſiatiſchen<lb/> Prachttaumel, nicht liebäugelnde Blicke ihr noch hätte<lb/> zuwerfen können, ſo daß über alle römiſche Bauwelt in<lb/> unſren Augen mit Recht immer noch ein majeſtätiſcher<lb/> Zauber ausgebreitet liegt, der uns faſt noch als Schön¬<lb/> heit erſcheint. Was <hi rendition="#g">uns</hi> nun aber aus dieſer Welt über<lb/> die Kirchthurmſpitzen des Mittelalters zugekommen iſt,<lb/> das entbehrt alles ſchönen wie majeſtätiſchen Zaubers;<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [148/0164]
erſchwert oder gar verwehrt wird, — da, wo die Sorge
der Oeffentlichkeit alſo nur in der Fürſorge für Eſſen und
Trinken beſtand, und die möglichſte Stillung dieſer Sorge
zugleich als die Lebensbedingung der Herrſchaft der Reichen
und Cäſaren, und zwar in ſo rieſigem Verhältniſſe ſich
kundgab, wie unter der römiſchen Weltherrſchaft, — da
entſtanden die erſtaunlichen Straßen- und Waſſerleitun¬
gen, mit denen wir heut zu Tage durch unſre Eiſenbahn¬
ſtraßen zu wetteifern ſuchen; — da wurde die Natur zur
melkenden Kuh und die Baukunſt zum Milcheimer:
die Pracht und Ueppigkeit der Reichen lebte von der klug
abgeſchöpften Ramenhaut der gewonnenen Milch, die man
blau und wäſſerig durch jene Waſſerleitungen dem lieben
Pöbel zuführte.
Aber dieſes Nützlichkeitsbemühen, dieſer Prunk,
gewann bei den Römern großartige Form: die heitre
Griechenwelt lag ihnen auch noch nicht ſo fern, daß ſie
durch ihre nüchterne Praktik, wie aus ihrem aſiatiſchen
Prachttaumel, nicht liebäugelnde Blicke ihr noch hätte
zuwerfen können, ſo daß über alle römiſche Bauwelt in
unſren Augen mit Recht immer noch ein majeſtätiſcher
Zauber ausgebreitet liegt, der uns faſt noch als Schön¬
heit erſcheint. Was uns nun aber aus dieſer Welt über
die Kirchthurmſpitzen des Mittelalters zugekommen iſt,
das entbehrt alles ſchönen wie majeſtätiſchen Zaubers;
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