Gesetz, maßgebend, nach Nothwendigkeit verfahrend, und der Nothwendigkeit auf das Vollkommenste entsprechend, ja, aus dieser Nothwendigkeit die kühnsten und wunder¬ vollsten Schöpfungen hervorbringend. Hiergegen ent¬ sprachen die Wohnungsgebäude der Einzelnen gerade eben nur wieder dem Bedürfnisse, aus dem sie entstanden: waren sie ursprünglich aus Holzstämmen gezimmert und -- ähnlich dem Zelte des Achilleus -- nach den einfachsten Gesetzen der Zweckmäßigkeit gefügt, so schmückten sie sich wohl zur Blüthezeit hellenischer Bildung mit glatten Steinwänden und erweiterten sich, mit sinnvoller Bezug¬ nahme, zu Räumen der Gastfreiheit; nie aber dehnten sie sich über das natürliche Bedürfniß des Privatmannes aus, nie suchte der Einzelne in ihnen und durch sie ein Verlan¬ gen sich zu befriedigen, das er in edelster Weise nur in der gemeinsamen Oeffentlichkeit gestillt fand, aus der es im Grunde auch einzig entspringen kann.
Gerade umgekehrt war die Wirksamkeit der Bau¬ kunst, als das gemeinsame öffentliche Leben erlosch, und das egoistische Behagen des Einzelnen ihr das Gesetz machte. Als der Privatmann nicht mehr den gemeinsamen Göttern Zeus und Apollon, sondern nur noch dem ein¬ sam seligmachenden Plutos, dem Gotte des Reichthumes opferte, -- als Jeder für sich einzeln das sein wollte was er zuvor nur in der Gemeinsamkeit war, -- da nahm er sich
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Geſetz, maßgebend, nach Nothwendigkeit verfahrend, und der Nothwendigkeit auf das Vollkommenſte entſprechend, ja, aus dieſer Nothwendigkeit die kühnſten und wunder¬ vollſten Schöpfungen hervorbringend. Hiergegen ent¬ ſprachen die Wohnungsgebäude der Einzelnen gerade eben nur wieder dem Bedürfniſſe, aus dem ſie entſtanden: waren ſie urſprünglich aus Holzſtämmen gezimmert und — ähnlich dem Zelte des Achilleus — nach den einfachſten Geſetzen der Zweckmäßigkeit gefügt, ſo ſchmückten ſie ſich wohl zur Blüthezeit helleniſcher Bildung mit glatten Steinwänden und erweiterten ſich, mit ſinnvoller Bezug¬ nahme, zu Räumen der Gaſtfreiheit; nie aber dehnten ſie ſich über das natürliche Bedürfniß des Privatmannes aus, nie ſuchte der Einzelne in ihnen und durch ſie ein Verlan¬ gen ſich zu befriedigen, das er in edelſter Weiſe nur in der gemeinſamen Oeffentlichkeit geſtillt fand, aus der es im Grunde auch einzig entſpringen kann.
Gerade umgekehrt war die Wirkſamkeit der Bau¬ kunſt, als das gemeinſame öffentliche Leben erloſch, und das egoiſtiſche Behagen des Einzelnen ihr das Geſetz machte. Als der Privatmann nicht mehr den gemeinſamen Göttern Zeus und Apollon, ſondern nur noch dem ein¬ ſam ſeligmachenden Plutos, dem Gotte des Reichthumes opferte, — als Jeder für ſich einzeln das ſein wollte was er zuvor nur in der Gemeinſamkeit war, — da nahm er ſich
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Geſetz, maßgebend, nach Nothwendigkeit verfahrend, und
der Nothwendigkeit auf das Vollkommenſte entſprechend,
ja, aus dieſer Nothwendigkeit die kühnſten und wunder¬
vollſten Schöpfungen hervorbringend. Hiergegen ent¬
ſprachen die Wohnungsgebäude der Einzelnen gerade eben
nur wieder dem Bedürfniſſe, aus dem ſie entſtanden:
waren ſie urſprünglich aus Holzſtämmen gezimmert und
— ähnlich dem Zelte des Achilleus — nach den einfachſten
Geſetzen der Zweckmäßigkeit gefügt, ſo ſchmückten ſie ſich
wohl zur Blüthezeit helleniſcher Bildung mit glatten
Steinwänden und erweiterten ſich, mit ſinnvoller Bezug¬
nahme, zu Räumen der Gaſtfreiheit; nie aber dehnten
ſie ſich über das natürliche Bedürfniß des Privatmannes aus,
nie ſuchte der Einzelne in ihnen und durch ſie ein Verlan¬
gen ſich zu befriedigen, das er in edelſter Weiſe nur
in der gemeinſamen Oeffentlichkeit geſtillt fand, aus der
es im Grunde auch einzig entſpringen kann.
Gerade umgekehrt war die Wirkſamkeit der Bau¬
kunſt, als das gemeinſame öffentliche Leben erloſch, und
das egoiſtiſche Behagen des Einzelnen ihr das Geſetz
machte. Als der Privatmann nicht mehr den gemeinſamen
Göttern Zeus und Apollon, ſondern nur noch dem ein¬
ſam ſeligmachenden Plutos, dem Gotte des Reichthumes
opferte, — als Jeder für ſich einzeln das ſein wollte was
er zuvor nur in der Gemeinſamkeit war, — da nahm er ſich
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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/161>, abgerufen am 28.07.2024.
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