Theater, das von dem Götteraltare -- als seinem Mit¬ telpunkte -- aus, sich zu der verständnißgebenden Bühne, wie zu den weiten Räumen für die, nach Verständniß ver¬ langenden, Zuschauer erhob, führte der Tragöde das lebendigste Werk vollendetster Kunst aus.
So ordnete der künstlerische und nach künstleri¬ scher Selbstdarstellung verlangende Mensch nach seinem künstlerischen Bedürfnisse die Natur sich unter, damit sie ihm nach seiner höchsten Absicht diene. So bedang der Lyriker und Tragöde den Architekten, der das seiner Kunst würdige, wiederum künstlerisch ihr ent¬ sprechende, Gebäude aufführen sollte.
Das nächste, natürliche Bedürfniß drängte den Menschen zur Herrichtung von Wohn- und Schutzgebäu¬ den: in dem Lande und bei dem Volke, von dem sich all unsre Kunst herschreibt, sollte aber nicht dieses rein phy¬ sische Bedürfniß, sondern das Bedürfniß des künstlerisch sich selbst darstellenden Menschen das Bauhandwerk zur wirklichen Kunst entwickeln. Nicht die königlichen Wohngebäude des Theseus und Agamemnon, nicht die rohen Felsengemäuer der pelasgischen Burgen sind als Baukunstwerke uns zur Vorstellung oder gar Anschauung gelangt, -- sondern die Tempel der Götter, die Tragödientheater des Volkes. Alles was nach dem Verfall der Tragödie, d. h. der vollendeten griechischen
Theater, das von dem Götteraltare — als ſeinem Mit¬ telpunkte — aus, ſich zu der verſtändnißgebenden Bühne, wie zu den weiten Räumen für die, nach Verſtändniß ver¬ langenden, Zuſchauer erhob, führte der Tragöde das lebendigſte Werk vollendetſter Kunſt aus.
So ordnete der künſtleriſche und nach künſtleri¬ ſcher Selbſtdarſtellung verlangende Menſch nach ſeinem künſtleriſchen Bedürfniſſe die Natur ſich unter, damit ſie ihm nach ſeiner höchſten Abſicht diene. So bedang der Lyriker und Tragöde den Architekten, der das ſeiner Kunſt würdige, wiederum künſtleriſch ihr ent¬ ſprechende, Gebäude aufführen ſollte.
Das nächſte, natürliche Bedürfniß drängte den Menſchen zur Herrichtung von Wohn- und Schutzgebäu¬ den: in dem Lande und bei dem Volke, von dem ſich all unſre Kunſt herſchreibt, ſollte aber nicht dieſes rein phy¬ ſiſche Bedürfniß, ſondern das Bedürfniß des künſtleriſch ſich ſelbſt darſtellenden Menſchen das Bauhandwerk zur wirklichen Kunſt entwickeln. Nicht die königlichen Wohngebäude des Theſeus und Agamemnon, nicht die rohen Felſengemäuer der pelasgiſchen Burgen ſind als Baukunſtwerke uns zur Vorſtellung oder gar Anſchauung gelangt, — ſondern die Tempel der Götter, die Tragödientheater des Volkes. Alles was nach dem Verfall der Tragödie, d. h. der vollendeten griechiſchen
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Theater, das von dem Götteraltare — als ſeinem Mit¬
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wie zu den weiten Räumen für die, nach Verſtändniß ver¬
langenden, Zuſchauer erhob, führte der Tragöde das
lebendigſte Werk vollendetſter Kunſt aus.
So ordnete der künſtleriſche und nach künſtleri¬
ſcher Selbſtdarſtellung verlangende Menſch nach
ſeinem künſtleriſchen Bedürfniſſe die Natur ſich unter,
damit ſie ihm nach ſeiner höchſten Abſicht diene. So
bedang der Lyriker und Tragöde den Architekten, der
das ſeiner Kunſt würdige, wiederum künſtleriſch ihr ent¬
ſprechende, Gebäude aufführen ſollte.
Das nächſte, natürliche Bedürfniß drängte den
Menſchen zur Herrichtung von Wohn- und Schutzgebäu¬
den: in dem Lande und bei dem Volke, von dem ſich all
unſre Kunſt herſchreibt, ſollte aber nicht dieſes rein phy¬
ſiſche Bedürfniß, ſondern das Bedürfniß des künſtleriſch
ſich ſelbſt darſtellenden Menſchen das Bauhandwerk zur
wirklichen Kunſt entwickeln. Nicht die königlichen
Wohngebäude des Theſeus und Agamemnon, nicht die
rohen Felſengemäuer der pelasgiſchen Burgen ſind als
Baukunſtwerke uns zur Vorſtellung oder gar Anſchauung
gelangt, — ſondern die Tempel der Götter, die
Tragödientheater des Volkes. Alles was nach dem
Verfall der Tragödie, d. h. der vollendeten griechiſchen
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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/159>, abgerufen am 28.07.2024.
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