Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.Erst den Hellenen war es vorbehalten das rein Vor der Göttereiche zu Dodona neigte sich der, Erſt den Hellenen war es vorbehalten das rein Vor der Göttereiche zu Dodona neigte ſich der, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0158" n="142"/> <p>Erſt den <hi rendition="#g">Hellenen</hi> war es vorbehalten das rein<lb/> menſchliche Kunſtwerk an ſich zu entwickeln und von ſich<lb/> aus es zur Darſtellung der Natur auszudehnen. Zu dem<lb/> menſchlichen Kunſtwerke konnten ſie aber gerade nicht eher<lb/> reif ſein, als bis ſie die Natur in dem Sinne, wie ſie ſich<lb/> dem Aſiaten darſtellte, überwunden, und den Menſchen in<lb/> ſo weit an die Spitze der Natur geſtellt hatten, als ſie<lb/> jene perſönlichen Naturmächte als vollkommen menſchlich<lb/> ſchön geſtaltete und gebahrende Götter ſich vorſtellten.<lb/> Erſt als <hi rendition="#g">Zeus</hi> vom Olympos die Welt mit ſeinem leben¬<lb/> ſpendenden Athem durchdrang, als <hi rendition="#g">Aphrodite</hi> dem Meer¬<lb/> ſchaume entſtiegen war und <hi rendition="#g">Apollon</hi> den Inhalt und die<lb/> Form ſeines Weſens als Geſetz ſchönen menſchlichen Lebens<lb/> kund gab, waren die rohen Naturgötzen Aſiens verſchwun¬<lb/> den, und trug der künſtleriſch ſchön ſich bewußte Menſch<lb/> das Geſetz ſeiner Schönheit auch auf ſeine Auffaſſung und<lb/> Darſtellung der Natur über.</p><lb/> <p>Vor der <hi rendition="#g">Göttereiche</hi> zu Dodona neigte ſich der,<lb/> des Naturorakels bedürftige, <hi rendition="#g">Urhellene</hi>; unter dem<lb/> ſchattigen Laubdache und umgeben von den grünenden<lb/> Baumſäulen des <hi rendition="#g">Götterhaines</hi> erhob der <hi rendition="#g">Orpheiker</hi><lb/> ſeine Stimme: unter dem ſchön gefügten Giebeldache und<lb/> zwiſchen den ſinnig gereihten Marmorſäulen des <hi rendition="#g">Götter¬<lb/> tempels</hi> ordnete aber der <hi rendition="#g">kunſtfreudige Lyriker</hi><lb/> ſeine Tänze nach dem tönenden Hymnos, — und in dem<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [142/0158]
Erſt den Hellenen war es vorbehalten das rein
menſchliche Kunſtwerk an ſich zu entwickeln und von ſich
aus es zur Darſtellung der Natur auszudehnen. Zu dem
menſchlichen Kunſtwerke konnten ſie aber gerade nicht eher
reif ſein, als bis ſie die Natur in dem Sinne, wie ſie ſich
dem Aſiaten darſtellte, überwunden, und den Menſchen in
ſo weit an die Spitze der Natur geſtellt hatten, als ſie
jene perſönlichen Naturmächte als vollkommen menſchlich
ſchön geſtaltete und gebahrende Götter ſich vorſtellten.
Erſt als Zeus vom Olympos die Welt mit ſeinem leben¬
ſpendenden Athem durchdrang, als Aphrodite dem Meer¬
ſchaume entſtiegen war und Apollon den Inhalt und die
Form ſeines Weſens als Geſetz ſchönen menſchlichen Lebens
kund gab, waren die rohen Naturgötzen Aſiens verſchwun¬
den, und trug der künſtleriſch ſchön ſich bewußte Menſch
das Geſetz ſeiner Schönheit auch auf ſeine Auffaſſung und
Darſtellung der Natur über.
Vor der Göttereiche zu Dodona neigte ſich der,
des Naturorakels bedürftige, Urhellene; unter dem
ſchattigen Laubdache und umgeben von den grünenden
Baumſäulen des Götterhaines erhob der Orpheiker
ſeine Stimme: unter dem ſchön gefügten Giebeldache und
zwiſchen den ſinnig gereihten Marmorſäulen des Götter¬
tempels ordnete aber der kunſtfreudige Lyriker
ſeine Tänze nach dem tönenden Hymnos, — und in dem
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