mag er die Natur selbst sich künstlerisch darzustellen und dem Einzigen, für den diese Darstellung berechnet sein kann, dem Menschen, aus -- wenn auch nicht gleich be¬ dürfnißvollem -- doch ähnlichem Drange, als das Kunst¬ werk, dessen Gegenstand und Stoff er eben selbst ist, mit¬ zutheilen. Nur aber der Mensch, der bereits aus sich und an sich das unmittelbar menschliche Kunstwerk hervorgebracht hat, sich selbst also künstlerisch zu erfassen und mitzutheilen vermag, ist daher auch fähig die Natur sich künstlerisch darzustellen; nicht der unentwickelte, naturunterwürfige. Die Völker Asiens und selbst Aegyptens, denen die Natur nur noch als willkürliche elementarische oder thieri¬ sche Macht sich darstellte, zu der sich der Mensch unbedingt leidend oder bis zur Selbstverstümmelung schwelgend ver¬ hielt, stellten die Natur auch als anbetungswürdigen und für die Anbetung darzustellenden Gegenstand voran, ohne sie, gerade eben deshalb, zum freien, künstlerischen Bewußtsein sich erheben zu können. Hier wurde denn auch der Mensch nie sich selbst Gegenstand künstlerischer Darstellung, sondern, da der Mensch alles Persönliche -- wie die persönliche Naturmacht -- unwillkürlich endlich doch nur nach menschlichem Maaße zu begreifen vermochte, so trug er seine Gestalt auch nur, und zwar in widerlichster Entstellung, auf die darzustellenden Gegenstände der Natur über.
mag er die Natur ſelbſt ſich künſtleriſch darzuſtellen und dem Einzigen, für den dieſe Darſtellung berechnet ſein kann, dem Menſchen, aus — wenn auch nicht gleich be¬ dürfnißvollem — doch ähnlichem Drange, als das Kunſt¬ werk, deſſen Gegenſtand und Stoff er eben ſelbſt iſt, mit¬ zutheilen. Nur aber der Menſch, der bereits aus ſich und an ſich das unmittelbar menſchliche Kunſtwerk hervorgebracht hat, ſich ſelbſt alſo künſtleriſch zu erfaſſen und mitzutheilen vermag, iſt daher auch fähig die Natur ſich künſtleriſch darzuſtellen; nicht der unentwickelte, naturunterwürfige. Die Völker Aſiens und ſelbſt Aegyptens, denen die Natur nur noch als willkürliche elementariſche oder thieri¬ ſche Macht ſich darſtellte, zu der ſich der Menſch unbedingt leidend oder bis zur Selbſtverſtümmelung ſchwelgend ver¬ hielt, ſtellten die Natur auch als anbetungswürdigen und für die Anbetung darzuſtellenden Gegenſtand voran, ohne ſie, gerade eben deshalb, zum freien, künſtleriſchen Bewußtſein ſich erheben zu können. Hier wurde denn auch der Menſch nie ſich ſelbſt Gegenſtand künſtleriſcher Darſtellung, ſondern, da der Menſch alles Perſönliche — wie die perſönliche Naturmacht — unwillkürlich endlich doch nur nach menſchlichem Maaße zu begreifen vermochte, ſo trug er ſeine Geſtalt auch nur, und zwar in widerlichſter Entſtellung, auf die darzuſtellenden Gegenſtände der Natur über.
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dürfnißvollem — doch ähnlichem Drange, als das Kunſt¬
werk, deſſen Gegenſtand und Stoff er eben ſelbſt iſt, mit¬
zutheilen. Nur aber der Menſch, der bereits aus ſich und
an ſich das unmittelbar menſchliche Kunſtwerk hervorgebracht
hat, ſich ſelbſt alſo künſtleriſch zu erfaſſen und mitzutheilen
vermag, iſt daher auch fähig die Natur ſich künſtleriſch
darzuſtellen; nicht der unentwickelte, naturunterwürfige.
Die Völker Aſiens und ſelbſt Aegyptens, denen die
Natur nur noch als willkürliche elementariſche oder thieri¬
ſche Macht ſich darſtellte, zu der ſich der Menſch unbedingt
leidend oder bis zur Selbſtverſtümmelung ſchwelgend ver¬
hielt, ſtellten die Natur auch als anbetungswürdigen und
für die Anbetung darzuſtellenden Gegenſtand voran,
ohne ſie, gerade eben deshalb, zum freien, künſtleriſchen
Bewußtſein ſich erheben zu können. Hier wurde denn
auch der Menſch nie ſich ſelbſt Gegenſtand künſtleriſcher
Darſtellung, ſondern, da der Menſch alles Perſönliche —
wie die perſönliche Naturmacht — unwillkürlich endlich doch
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Entſtellung, auf die darzuſtellenden Gegenſtände der Natur
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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/157>, abgerufen am 28.07.2024.
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