Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.um nach Belieben mit diesem Huldigungsgeschenke machen Die Oper, als scheinbare Vereinigung aller drei um nach Belieben mit dieſem Huldigungsgeſchenke machen Die Oper, als ſcheinbare Vereinigung aller drei <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0150" n="134"/> um nach Belieben mit dieſem Huldigungsgeſchenke machen<lb/> zu dürfen, was ihre Laune ihr eingäbe.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Oper</hi>, als ſcheinbare Vereinigung aller drei<lb/> verwandten Kunſtarten, iſt der Sammelpunkt der eigen¬<lb/> ſüchtigſten Beſtrebungen dieſer Schweſtern geworden. Un¬<lb/> leugbar ſpricht die Tonkunſt in ihr das ſuprematiſche Recht<lb/> der Geſetzgebung an, ja ihrem — aber egoiſtiſch geleiteten<lb/> — Drange zum eigentlichen Kunſtwerke, dem Drama,<lb/> haben wir die Oper lediglich zu verdanken. In dem Grade,<lb/> als Tanz- und Dichtkunſt ihr aber nur <hi rendition="#g">dienen</hi> ſollen,<lb/> regt ſich, aus den Gegenden der egoiſtiſchen Geſtaltungen<lb/><hi rendition="#g">dieſer</hi> her, jedoch ein beſtändiges Reaktionsgelüſt gegen<lb/> die herrſchſüchtige Schweſter auf. Dicht- und Tanzkunſt<lb/> hatten ſich auf <hi rendition="#g">ihre Weiſe</hi> das Drama beſonders ange¬<lb/> eignet: Schauſpiel und <hi rendition="#g">pantomimiſches Ballet</hi> waren<lb/> die beiden Territorien, zwiſchen denen ſich die Oper nun<lb/> ergoß, von beiden in ſich aufnehmend, was ihr, zur egoiſti¬<lb/> ſchen Selbſtverherrlichung der Muſik unerläßlich ſchien.<lb/> Schauſpiel und Ballet waren ſich aber ihrer gewaltſamen<lb/> Sonderſelbſtſtändigkeit ſehr wohl bewußt: ſie liehen ſich der<lb/> Schweſter nur wider Willen her und jedenfalls nur mit<lb/> dem tückiſchen Vorſatze, bei irgend geeigneter Gelegenheit<lb/> in vollſter Breite ſich allein geltend zu machen. Sowie die<lb/> Dichtkunſt den pathetiſchen, der Oper allein zuſagenden<lb/> Gefühlsboden verläßt, und ihr Netz der modernen Intrigue<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [134/0150]
um nach Belieben mit dieſem Huldigungsgeſchenke machen
zu dürfen, was ihre Laune ihr eingäbe.
Die Oper, als ſcheinbare Vereinigung aller drei
verwandten Kunſtarten, iſt der Sammelpunkt der eigen¬
ſüchtigſten Beſtrebungen dieſer Schweſtern geworden. Un¬
leugbar ſpricht die Tonkunſt in ihr das ſuprematiſche Recht
der Geſetzgebung an, ja ihrem — aber egoiſtiſch geleiteten
— Drange zum eigentlichen Kunſtwerke, dem Drama,
haben wir die Oper lediglich zu verdanken. In dem Grade,
als Tanz- und Dichtkunſt ihr aber nur dienen ſollen,
regt ſich, aus den Gegenden der egoiſtiſchen Geſtaltungen
dieſer her, jedoch ein beſtändiges Reaktionsgelüſt gegen
die herrſchſüchtige Schweſter auf. Dicht- und Tanzkunſt
hatten ſich auf ihre Weiſe das Drama beſonders ange¬
eignet: Schauſpiel und pantomimiſches Ballet waren
die beiden Territorien, zwiſchen denen ſich die Oper nun
ergoß, von beiden in ſich aufnehmend, was ihr, zur egoiſti¬
ſchen Selbſtverherrlichung der Muſik unerläßlich ſchien.
Schauſpiel und Ballet waren ſich aber ihrer gewaltſamen
Sonderſelbſtſtändigkeit ſehr wohl bewußt: ſie liehen ſich der
Schweſter nur wider Willen her und jedenfalls nur mit
dem tückiſchen Vorſatze, bei irgend geeigneter Gelegenheit
in vollſter Breite ſich allein geltend zu machen. Sowie die
Dichtkunſt den pathetiſchen, der Oper allein zuſagenden
Gefühlsboden verläßt, und ihr Netz der modernen Intrigue
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