Weibes sich versenkt, um durch dieses in ein Drittes, das Kind aufzugehen, -- in dem Dreivereine dennoch aber nur sich, in sich jedoch sein erweitertes, ergänztes und vervollständigtes Wesen liebend wiederfindet: so ver¬ mag jede der einzelnen Kunstarten, im vollkommenen gänzlich befreiten Kunstwerke sich selbst wiederzufinden, ja sich selbst, ihr eigenstes Wesen, als zu diesem Kunst¬ werke erweitert anzusehen, sobald sie auf dem Wege wirklicher Liebe, durch Versenkung in die verwandten Kunstarten, wieder zu sich zurückkommt, und den Lohn ihrer Liebe in dem vollkommenen Kunstwerke findet, zu dem sie selbst sich erweitert weiß. Nur die Kunst¬ art, die das gemeinsame Kunstwerk will, erreicht somit aber auch nur die höchste Fülle ihres eigenen besonderen Wesens; wogegen diejenige, die nur sich, ihre höchste Fülle schlechtweg aus sich allein will, bei allem Luxus, den sie auf ihre einsame Erscheinung verwendet, arm und unfrei bleibt. Der Wille zum gemeinsamen Kunstwerke entsteht aber in jeder Kunstart unwillkürlich, unbewußt von selbst, sobald sie an ihren Schranken angelangt, der entsprechenden Kunstart sich giebt, nicht aber von ihr zu nehmen strebt: ganz sie selbst bleibt sie, wenn sie ganz sich selbst giebt: zu ihrem Gegentheile muß sie aber werden, wenn sie endlich ganz von der andern sich nur erhalten muß: "wes' Brot ich esse, des' Lied ich singe."
Weibes ſich verſenkt, um durch dieſes in ein Drittes, das Kind aufzugehen, — in dem Dreivereine dennoch aber nur ſich, in ſich jedoch ſein erweitertes, ergänztes und vervollſtändigtes Weſen liebend wiederfindet: ſo ver¬ mag jede der einzelnen Kunſtarten, im vollkommenen gänzlich befreiten Kunſtwerke ſich ſelbſt wiederzufinden, ja ſich ſelbſt, ihr eigenſtes Weſen, als zu dieſem Kunſt¬ werke erweitert anzuſehen, ſobald ſie auf dem Wege wirklicher Liebe, durch Verſenkung in die verwandten Kunſtarten, wieder zu ſich zurückkommt, und den Lohn ihrer Liebe in dem vollkommenen Kunſtwerke findet, zu dem ſie ſelbſt ſich erweitert weiß. Nur die Kunſt¬ art, die das gemeinſame Kunſtwerk will, erreicht ſomit aber auch nur die höchſte Fülle ihres eigenen beſonderen Weſens; wogegen diejenige, die nur ſich, ihre höchſte Fülle ſchlechtweg aus ſich allein will, bei allem Luxus, den ſie auf ihre einſame Erſcheinung verwendet, arm und unfrei bleibt. Der Wille zum gemeinſamen Kunſtwerke entſteht aber in jeder Kunſtart unwillkürlich, unbewußt von ſelbſt, ſobald ſie an ihren Schranken angelangt, der entſprechenden Kunſtart ſich giebt, nicht aber von ihr zu nehmen ſtrebt: ganz ſie ſelbſt bleibt ſie, wenn ſie ganz ſich ſelbſt giebt: zu ihrem Gegentheile muß ſie aber werden, wenn ſie endlich ganz von der andern ſich nur erhalten muß: „wes' Brot ich eſſe, des' Lied ich ſinge.“
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Weibes ſich verſenkt, um durch dieſes in ein Drittes, das
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nur ſich, in ſich jedoch ſein erweitertes, ergänztes und
vervollſtändigtes Weſen liebend wiederfindet: ſo ver¬
mag jede der einzelnen Kunſtarten, im vollkommenen
gänzlich befreiten Kunſtwerke ſich ſelbſt wiederzufinden,
ja ſich ſelbſt, ihr eigenſtes Weſen, als zu dieſem Kunſt¬
werke erweitert anzuſehen, ſobald ſie auf dem Wege
wirklicher Liebe, durch Verſenkung in die verwandten
Kunſtarten, wieder zu ſich zurückkommt, und den
Lohn ihrer Liebe in dem vollkommenen Kunſtwerke
findet, zu dem ſie ſelbſt ſich erweitert weiß. Nur die Kunſt¬
art, die das gemeinſame Kunſtwerk will, erreicht ſomit
aber auch nur die höchſte Fülle ihres eigenen beſonderen
Weſens; wogegen diejenige, die nur ſich, ihre höchſte
Fülle ſchlechtweg aus ſich allein will, bei allem Luxus, den
ſie auf ihre einſame Erſcheinung verwendet, arm und
unfrei bleibt. Der Wille zum gemeinſamen Kunſtwerke
entſteht aber in jeder Kunſtart unwillkürlich, unbewußt
von ſelbſt, ſobald ſie an ihren Schranken angelangt, der
entſprechenden Kunſtart ſich giebt, nicht aber von ihr zu
nehmen ſtrebt: ganz ſie ſelbſt bleibt ſie, wenn ſie
ganz ſich ſelbſt giebt: zu ihrem Gegentheile muß ſie
aber werden, wenn ſie endlich ganz von der andern ſich nur
erhalten muß: „wes' Brot ich eſſe, des' Lied ich ſinge.“
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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/146>, abgerufen am 22.07.2024.
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