Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.Weibes sich versenkt, um durch dieses in ein Drittes, das Weibes ſich verſenkt, um durch dieſes in ein Drittes, das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0146" n="130"/> Weibes ſich verſenkt, um durch dieſes in ein Drittes, das<lb/> Kind aufzugehen, — in dem Dreivereine dennoch aber<lb/> nur <hi rendition="#g">ſich</hi>, in ſich jedoch ſein erweitertes, ergänztes und<lb/> vervollſtändigtes Weſen liebend wiederfindet: ſo ver¬<lb/> mag jede der einzelnen Kunſtarten, im vollkommenen<lb/> gänzlich befreiten Kunſtwerke ſich ſelbſt wiederzufinden,<lb/> ja ſich ſelbſt, ihr eigenſtes Weſen, als zu dieſem Kunſt¬<lb/> werke erweitert anzuſehen, ſobald ſie auf dem Wege<lb/> wirklicher Liebe, durch Verſenkung in die verwandten<lb/> Kunſtarten, wieder zu ſich zurückkommt, und den<lb/> Lohn ihrer Liebe in dem vollkommenen Kunſtwerke<lb/> findet, zu dem ſie ſelbſt ſich erweitert weiß. Nur die Kunſt¬<lb/> art, die das gemeinſame Kunſtwerk will, erreicht ſomit<lb/> aber auch nur die höchſte Fülle ihres eigenen beſonderen<lb/> Weſens; wogegen diejenige, die nur <hi rendition="#g">ſich</hi>, ihre höchſte<lb/> Fülle ſchlechtweg aus ſich allein will, bei allem Luxus, den<lb/> ſie auf ihre einſame Erſcheinung verwendet, arm und<lb/> unfrei bleibt. Der <hi rendition="#g">Wille</hi> zum gemeinſamen Kunſtwerke<lb/> entſteht aber in jeder Kunſtart unwillkürlich, unbewußt<lb/> von ſelbſt, ſobald ſie an ihren Schranken angelangt, der<lb/> entſprechenden Kunſtart ſich <hi rendition="#g">giebt</hi>, nicht aber von ihr zu<lb/> nehmen ſtrebt: <hi rendition="#g">ganz ſie ſelbſt</hi> bleibt ſie, wenn ſie<lb/><hi rendition="#g">ganz ſich ſelbſt giebt</hi>: zu ihrem Gegentheile muß ſie<lb/> aber werden, wenn ſie endlich ganz von der andern ſich nur<lb/> erhalten muß: „wes' Brot ich eſſe, des' Lied ich ſinge.“<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [130/0146]
Weibes ſich verſenkt, um durch dieſes in ein Drittes, das
Kind aufzugehen, — in dem Dreivereine dennoch aber
nur ſich, in ſich jedoch ſein erweitertes, ergänztes und
vervollſtändigtes Weſen liebend wiederfindet: ſo ver¬
mag jede der einzelnen Kunſtarten, im vollkommenen
gänzlich befreiten Kunſtwerke ſich ſelbſt wiederzufinden,
ja ſich ſelbſt, ihr eigenſtes Weſen, als zu dieſem Kunſt¬
werke erweitert anzuſehen, ſobald ſie auf dem Wege
wirklicher Liebe, durch Verſenkung in die verwandten
Kunſtarten, wieder zu ſich zurückkommt, und den
Lohn ihrer Liebe in dem vollkommenen Kunſtwerke
findet, zu dem ſie ſelbſt ſich erweitert weiß. Nur die Kunſt¬
art, die das gemeinſame Kunſtwerk will, erreicht ſomit
aber auch nur die höchſte Fülle ihres eigenen beſonderen
Weſens; wogegen diejenige, die nur ſich, ihre höchſte
Fülle ſchlechtweg aus ſich allein will, bei allem Luxus, den
ſie auf ihre einſame Erſcheinung verwendet, arm und
unfrei bleibt. Der Wille zum gemeinſamen Kunſtwerke
entſteht aber in jeder Kunſtart unwillkürlich, unbewußt
von ſelbſt, ſobald ſie an ihren Schranken angelangt, der
entſprechenden Kunſtart ſich giebt, nicht aber von ihr zu
nehmen ſtrebt: ganz ſie ſelbſt bleibt ſie, wenn ſie
ganz ſich ſelbſt giebt: zu ihrem Gegentheile muß ſie
aber werden, wenn ſie endlich ganz von der andern ſich nur
erhalten muß: „wes' Brot ich eſſe, des' Lied ich ſinge.“
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