Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.spielkunst, also aus dem Leben, wirklich hervorgegangen Unsere deutschen Dramatiker, aus dem willkürlichen ſpielkunſt, alſo aus dem Leben, wirklich hervorgegangen Unſere deutſchen Dramatiker, aus dem willkürlichen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0143" n="127"/> ſpielkunſt, alſo aus dem Leben, wirklich hervorgegangen<lb/> ſind.</p><lb/> <p>Unſere deutſchen Dramatiker, aus dem willkürlichen<lb/> Inhalte ihrer dichteriſchen Abſicht nach Erlöſung in<lb/> irgend einer nothwendig erſcheinenden Form ſich ſehnend,<lb/> ſtellten ſich, da ſie nichts zu bilden vermochten, dieſe noth¬<lb/> wendige Form willkürlich dar, indem ſie nach dem franzöſi¬<lb/> ſchen Schema griffen, ohne zu bedenken daß dieſes einem<lb/> ganz verſchiedenen, <hi rendition="#g">wirklichen</hi> Bedürfniſſe entſprungen<lb/> war. Wer nicht aus Nothwendigkeit verfährt, hat aber<lb/> die Wahl nach Belieben. So waren auch unſere Drama¬<lb/> tiker mit der Annahme der franzöſiſchen Form durchaus<lb/> noch nicht ganz befriedigt: es fehlte zum Gebräu noch dieß<lb/> und jenes, — etwas ſhakeſpeareſche Verwegenheit, etwas<lb/> ſpaniſcher Pathos, und als Zuthat Ueberreſte ſchilleriſcher<lb/> Idealität oder iffländiſcher Bürgergemüthlichkeit; dieß Alles<lb/> nun nach franzöſiſchem Rezepte unerhört pfiffig angemacht,<lb/> mit journaliſtiſcher Bedachtſamkeit auf den neueſten Skan¬<lb/> dal zugerichtet, dem beliebteſten Schauſpieler — da der<lb/> Dichter nun einmal ſelbſt das Komödienſpielen nicht er¬<lb/> lernt hat, — die Rolle womöglich wiederum eines Dich¬<lb/> ters zugetheilt, — dieß und jenes noch mit hinzu, wie es<lb/> gerade die Umſtände fügen, —: ſo haben wir das modernſte<lb/> dramatiſche Kunſtwerk, den in Wahrheit <hi rendition="#g">ſich ſelbſt</hi>,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [127/0143]
ſpielkunſt, alſo aus dem Leben, wirklich hervorgegangen
ſind.
Unſere deutſchen Dramatiker, aus dem willkürlichen
Inhalte ihrer dichteriſchen Abſicht nach Erlöſung in
irgend einer nothwendig erſcheinenden Form ſich ſehnend,
ſtellten ſich, da ſie nichts zu bilden vermochten, dieſe noth¬
wendige Form willkürlich dar, indem ſie nach dem franzöſi¬
ſchen Schema griffen, ohne zu bedenken daß dieſes einem
ganz verſchiedenen, wirklichen Bedürfniſſe entſprungen
war. Wer nicht aus Nothwendigkeit verfährt, hat aber
die Wahl nach Belieben. So waren auch unſere Drama¬
tiker mit der Annahme der franzöſiſchen Form durchaus
noch nicht ganz befriedigt: es fehlte zum Gebräu noch dieß
und jenes, — etwas ſhakeſpeareſche Verwegenheit, etwas
ſpaniſcher Pathos, und als Zuthat Ueberreſte ſchilleriſcher
Idealität oder iffländiſcher Bürgergemüthlichkeit; dieß Alles
nun nach franzöſiſchem Rezepte unerhört pfiffig angemacht,
mit journaliſtiſcher Bedachtſamkeit auf den neueſten Skan¬
dal zugerichtet, dem beliebteſten Schauſpieler — da der
Dichter nun einmal ſelbſt das Komödienſpielen nicht er¬
lernt hat, — die Rolle womöglich wiederum eines Dich¬
ters zugetheilt, — dieß und jenes noch mit hinzu, wie es
gerade die Umſtände fügen, —: ſo haben wir das modernſte
dramatiſche Kunſtwerk, den in Wahrheit ſich ſelbſt,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |