Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.Volk, -- allerdings nicht der geschulte Zögling unsrer Aus diesem Zustande der Unseligkeit heraus vermag das Volk, — allerdings nicht der geſchulte Zögling unſrer Aus dieſem Zuſtande der Unſeligkeit heraus vermag das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0138" n="122"/><hi rendition="#g">Volk</hi>, — allerdings nicht der geſchulte Zögling unſrer<lb/> Geſangsprofeſſoren. — Wo die ſo geartete Kunſt blüht,<lb/> da erfindet ſie von ſelbſt aber auch immer neue Wen¬<lb/> dungen des Ausdrucks, neue Formen der Dichtung, und<lb/> die Athener lehren uns ja, wie im <hi rendition="#g">Fortſchritt</hi> dieſer<lb/> Selbſtbildung das höchſte Kunſtwerk, die Tragödie geboren<lb/> werden konnte. — Dagegen muß nun die vom Leben ab¬<lb/> gewandte Dichtkunſt ewig unfruchtbar bleiben; all ihr Ge¬<lb/> ſtalten kann immer nur das der Mode, das des willkür¬<lb/> lichen Combinirens — nicht Erfindens — ſein; unglück¬<lb/> lich in jeder Berührung mit der Materie, — wendet ſie<lb/> ſich daher immer wieder nur zum <hi rendition="#g">Gedanken</hi> zurück,<lb/> dieſem raſtloſem Triebrade des <hi rendition="#g">Wunſches</hi>, des ewig be¬<lb/> gehrenden — ewig ungeſtillten Wunſches, der — die ein¬<lb/> zig mögliche Befriedigung in der <hi rendition="#g">Sinnlichkeit</hi> von ſich<lb/> abweiſend — ewig nur <hi rendition="#g">ſich</hi> wünſchen, ewig nur <hi rendition="#g">ſich</hi> ver¬<lb/> zehren muß.</p><lb/> <p>Aus dieſem Zuſtande der Unſeligkeit heraus vermag das<lb/> gedichtete Literaturdrama ſich nur dadurch wieder zu erlöſen,<lb/> daß es zum lebendigen wirklichen Drama wird. Der Weg<lb/> dieſer Erlöſung iſt wiederholt und auch in neuerer Zeit<lb/> oft eingeſchlagen worden, — von Manchem aus redlicher<lb/> Sehnſucht, von vielen leider aber auch nur aus keinem an¬<lb/> deren Grunde, als weil die Bühne unvermerkt ein ein¬<lb/> träglicherer Markt, als die Buchhändlertafel geworden war.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [122/0138]
Volk, — allerdings nicht der geſchulte Zögling unſrer
Geſangsprofeſſoren. — Wo die ſo geartete Kunſt blüht,
da erfindet ſie von ſelbſt aber auch immer neue Wen¬
dungen des Ausdrucks, neue Formen der Dichtung, und
die Athener lehren uns ja, wie im Fortſchritt dieſer
Selbſtbildung das höchſte Kunſtwerk, die Tragödie geboren
werden konnte. — Dagegen muß nun die vom Leben ab¬
gewandte Dichtkunſt ewig unfruchtbar bleiben; all ihr Ge¬
ſtalten kann immer nur das der Mode, das des willkür¬
lichen Combinirens — nicht Erfindens — ſein; unglück¬
lich in jeder Berührung mit der Materie, — wendet ſie
ſich daher immer wieder nur zum Gedanken zurück,
dieſem raſtloſem Triebrade des Wunſches, des ewig be¬
gehrenden — ewig ungeſtillten Wunſches, der — die ein¬
zig mögliche Befriedigung in der Sinnlichkeit von ſich
abweiſend — ewig nur ſich wünſchen, ewig nur ſich ver¬
zehren muß.
Aus dieſem Zuſtande der Unſeligkeit heraus vermag das
gedichtete Literaturdrama ſich nur dadurch wieder zu erlöſen,
daß es zum lebendigen wirklichen Drama wird. Der Weg
dieſer Erlöſung iſt wiederholt und auch in neuerer Zeit
oft eingeſchlagen worden, — von Manchem aus redlicher
Sehnſucht, von vielen leider aber auch nur aus keinem an¬
deren Grunde, als weil die Bühne unvermerkt ein ein¬
träglicherer Markt, als die Buchhändlertafel geworden war.
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