einzig nothwendigen Selbstverherrlichung benutzen durfte. Aller Stoff, alle Form war ihr nur dazu da, einen abstrak¬ ten Gedanken -- das idealisirte selbstsüchtige liebe Ich des Dichters dem lesenden Auge auf das Dringendste anzu¬ empfehlen. Wie treulos vergaß sie dabei, daß sie alle, auch die complicirtesten ihrer Formen, doch nur diesem hoch¬ müthig verachteten himmlischen Leben erst zu verdanken hatte! von der Lyrik durch alle Dichtungsformen hindurch bis zu diesem literarischen Drama, giebt es nicht eine ein¬ zige, die nicht der leiblichen Unmittelbarkeit des Volks¬ lebens, als bei weitem reinere und edlere Form entblüht wäre, als sie unter der Entstellung durch die unleibliche Dichtkunst sich kund zu geben vermocht hätte. Was sind alle die Ergebnisse des scheinbar selbstständigen Gestaltens der abstrakten Dichtkunst in Bezug auf Sprache, Vers und Ausdruck, gegen die immer frisch gezeugte Schönheit, Mannigfaltigkeit und Vollendung der Volkslyrik, welche die Forschung jetzt in höchstem Reichthume erst wieder unter Schutt und Trümmer hervorzuziehen bemüht ist? Diese Volkslieder sind ohne Tonweise aber gar nicht zu denken: was aber nicht nur gesprochen, sondern auch ge¬ sungen wurde, gehörte dem unmittelbar sich kundgeben¬ den Leben an; wer spricht und singt, der drückt zugleich auch durch Gebärde und Bewegung seine Gefühle aus, -- wenigstens wer dies unwillkürlich thut, wie das
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einzig nothwendigen Selbſtverherrlichung benutzen durfte. Aller Stoff, alle Form war ihr nur dazu da, einen abſtrak¬ ten Gedanken — das idealiſirte ſelbſtſüchtige liebe Ich des Dichters dem leſenden Auge auf das Dringendſte anzu¬ empfehlen. Wie treulos vergaß ſie dabei, daß ſie alle, auch die complicirteſten ihrer Formen, doch nur dieſem hoch¬ müthig verachteten himmliſchen Leben erſt zu verdanken hatte! von der Lyrik durch alle Dichtungsformen hindurch bis zu dieſem literariſchen Drama, giebt es nicht eine ein¬ zige, die nicht der leiblichen Unmittelbarkeit des Volks¬ lebens, als bei weitem reinere und edlere Form entblüht wäre, als ſie unter der Entſtellung durch die unleibliche Dichtkunſt ſich kund zu geben vermocht hätte. Was ſind alle die Ergebniſſe des ſcheinbar ſelbſtſtändigen Geſtaltens der abſtrakten Dichtkunſt in Bezug auf Sprache, Vers und Ausdruck, gegen die immer friſch gezeugte Schönheit, Mannigfaltigkeit und Vollendung der Volkslyrik, welche die Forſchung jetzt in höchſtem Reichthume erſt wieder unter Schutt und Trümmer hervorzuziehen bemüht iſt? Dieſe Volkslieder ſind ohne Tonweiſe aber gar nicht zu denken: was aber nicht nur geſprochen, ſondern auch ge¬ ſungen wurde, gehörte dem unmittelbar ſich kundgeben¬ den Leben an; wer ſpricht und ſingt, der drückt zugleich auch durch Gebärde und Bewegung ſeine Gefühle aus, — wenigſtens wer dies unwillkürlich thut, wie das
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einzig nothwendigen Selbſtverherrlichung benutzen durfte.
Aller Stoff, alle Form war ihr nur dazu da, einen abſtrak¬
ten Gedanken — das idealiſirte ſelbſtſüchtige liebe Ich des
Dichters dem leſenden Auge auf das Dringendſte anzu¬
empfehlen. Wie treulos vergaß ſie dabei, daß ſie alle, auch
die complicirteſten ihrer Formen, doch nur dieſem hoch¬
müthig verachteten himmliſchen Leben erſt zu verdanken
hatte! von der Lyrik durch alle Dichtungsformen hindurch
bis zu dieſem literariſchen Drama, giebt es nicht eine ein¬
zige, die nicht der leiblichen Unmittelbarkeit des Volks¬
lebens, als bei weitem reinere und edlere Form entblüht
wäre, als ſie unter der Entſtellung durch die unleibliche
Dichtkunſt ſich kund zu geben vermocht hätte. Was ſind
alle die Ergebniſſe des ſcheinbar ſelbſtſtändigen Geſtaltens
der abſtrakten Dichtkunſt in Bezug auf Sprache, Vers und
Ausdruck, gegen die immer friſch gezeugte Schönheit,
Mannigfaltigkeit und Vollendung der Volkslyrik, welche
die Forſchung jetzt in höchſtem Reichthume erſt wieder
unter Schutt und Trümmer hervorzuziehen bemüht iſt?
Dieſe Volkslieder ſind ohne Tonweiſe aber gar nicht zu
denken: was aber nicht nur geſprochen, ſondern auch ge¬
ſungen wurde, gehörte dem unmittelbar ſich kundgeben¬
den Leben an; wer ſpricht und ſingt, der drückt zugleich
auch durch Gebärde und Bewegung ſeine Gefühle
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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/137>, abgerufen am 27.07.2024.
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