Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.Was hat er mit dem Stimmhammer pochen müssen, was Wo ein Göthe gescheitert war, mußte es guter Was hat er mit dem Stimmhammer pochen müſſen, was Wo ein Göthe geſcheitert war, mußte es guter <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0135" n="119"/> <p>Was hat er mit dem Stimmhammer pochen müſſen, was<lb/> die Saiten ziehen und dehnen, bis wimmernd ſie endlich<lb/> ſprangen! — Er mußte erſehen, daß in der Welt Alles<lb/> möglich iſt, nur nicht, daß der abſtrakte Geiſt die Menſchen<lb/> regiere: wo dieſer Geiſt nicht aus dem ganzen geſunden<lb/> Menſchen herauskeimt und ſeine Blüthe entfaltet, da läßt<lb/> er ſich nicht von oben herein eingießen. Der egoiſtiſche<lb/> Dichter kann durch ſeine Abſicht mechaniſche Puppen ſich<lb/> bewegen laſſen, nicht aber aus Maſchinen wirkliche Men¬<lb/> ſchen zum Leben bringen. Von der Bühne, wo Göthe<lb/><hi rendition="#g">Menſchen</hi> machen wollte, verjagte ihn endlich ein<lb/><hi rendition="#g">Pudel</hi>, — Zum warnenden Beiſpiele für alles unnatür¬<lb/> liche Regieren von Oben!</p><lb/> <p>Wo ein <hi rendition="#g">Göthe</hi> geſcheitert war, mußte es guter<lb/> Ton werden, von vorne herein ſich als geſcheitert anzuſehen:<lb/> die Dichter dichteten noch Schauſpiele, aber nicht für die<lb/> ungehobelte Bühne, ſondern für das glatte Papier. Nur<lb/> was ſo in zweiter oder dritter Qualität noch hier oder da,<lb/> der Lokalität angemeſſen, herumdichtete, gab ſich mit den<lb/> Schauſpielern ab; nicht aber der vornehme ſich ſelbſt dich¬<lb/> tende Dichter, der von allen Lebensfarben nur noch die<lb/> abſtrakte preußiſche Landesfarbe, Schwarz auf Weiß, an¬<lb/> ſtändig fand. So erſchien denn das Unerhörte: <hi rendition="#g">für die<lb/> ſtumme Lectüre geſchriebene Dramen</hi>!</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [119/0135]
Was hat er mit dem Stimmhammer pochen müſſen, was
die Saiten ziehen und dehnen, bis wimmernd ſie endlich
ſprangen! — Er mußte erſehen, daß in der Welt Alles
möglich iſt, nur nicht, daß der abſtrakte Geiſt die Menſchen
regiere: wo dieſer Geiſt nicht aus dem ganzen geſunden
Menſchen herauskeimt und ſeine Blüthe entfaltet, da läßt
er ſich nicht von oben herein eingießen. Der egoiſtiſche
Dichter kann durch ſeine Abſicht mechaniſche Puppen ſich
bewegen laſſen, nicht aber aus Maſchinen wirkliche Men¬
ſchen zum Leben bringen. Von der Bühne, wo Göthe
Menſchen machen wollte, verjagte ihn endlich ein
Pudel, — Zum warnenden Beiſpiele für alles unnatür¬
liche Regieren von Oben!
Wo ein Göthe geſcheitert war, mußte es guter
Ton werden, von vorne herein ſich als geſcheitert anzuſehen:
die Dichter dichteten noch Schauſpiele, aber nicht für die
ungehobelte Bühne, ſondern für das glatte Papier. Nur
was ſo in zweiter oder dritter Qualität noch hier oder da,
der Lokalität angemeſſen, herumdichtete, gab ſich mit den
Schauſpielern ab; nicht aber der vornehme ſich ſelbſt dich¬
tende Dichter, der von allen Lebensfarben nur noch die
abſtrakte preußiſche Landesfarbe, Schwarz auf Weiß, an¬
ſtändig fand. So erſchien denn das Unerhörte: für die
ſtumme Lectüre geſchriebene Dramen!
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