Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.mag sich ein natürlicher Gestaltungs- und Entwickelungs¬ So sehen wir denn in der Musik, wie in den andern mag ſich ein natürlicher Geſtaltungs- und Entwickelungs¬ So ſehen wir denn in der Muſik, wie in den andern <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0116" n="100"/> mag ſich ein natürlicher Geſtaltungs- und Entwickelungs¬<lb/> trieb, nach inneren unwillkürlichen Geſetzen zu bethä¬<lb/> tigen. Nur an der Eigenthümlichkeit und Fülle einer in¬<lb/> dividuellen Künſtlernatur kann derjenige künſtleriſche<lb/> Schöpfertrieb ſich nähren, der nirgends in der äußeren<lb/> Natur ſelbſt ſich Nahrung zu verſchaffen vermag; denn<lb/> nur dieſe Individualität vermag in ihrer Beſonderheit, in<lb/> ihrem perſönlichen Anſchauen, in ihrem eigenthümlichen<lb/> Verlangen Sehnen und Wollen dieſer Kunſtmaſſe den ge¬<lb/> ſtaltunggebenden Stoff zuzuführen, den ſie in der äußeren<lb/> Natur nicht findet: erſt an der Individualität dieſes<lb/> einen, beſonderen Menſchen wird die Muſik zur rein<lb/> menſchlichen Kunſt; ſie verzehrt dieſe Individualität, um<lb/> aus der Zerfloſſenheit ihres Elementes ſelbſt zur Verdich¬<lb/> tung, zur Individualität zu gelangen.</p><lb/> <p>So ſehen wir denn in der Muſik, wie in den andern<lb/> Künſten — aber aus ganz andren Gründen, Manieren<lb/> oder ſogenannte Schulen meiſt nur aus der Individualität<lb/> eines beſonderen Künſtlers hervorgehen. Dieſe Schulen<lb/> waren die Zunftgenoſſenſchaften, die ſich um einen großen<lb/> Meiſter, in dem ſich das Weſen der Muſik individualiſirt<lb/> hatte, nachahmend — ja nachbetend ſammelten. So lange<lb/> nun die Muſik ihre kunſtweltgeſchichtliche Aufgabe noch<lb/> nicht gelöſt hatte, vermochten die weitausgedehnten Aeſte<lb/> dieſer Schulen, unter dieſer oder jener verwandtſchaftlichen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [100/0116]
mag ſich ein natürlicher Geſtaltungs- und Entwickelungs¬
trieb, nach inneren unwillkürlichen Geſetzen zu bethä¬
tigen. Nur an der Eigenthümlichkeit und Fülle einer in¬
dividuellen Künſtlernatur kann derjenige künſtleriſche
Schöpfertrieb ſich nähren, der nirgends in der äußeren
Natur ſelbſt ſich Nahrung zu verſchaffen vermag; denn
nur dieſe Individualität vermag in ihrer Beſonderheit, in
ihrem perſönlichen Anſchauen, in ihrem eigenthümlichen
Verlangen Sehnen und Wollen dieſer Kunſtmaſſe den ge¬
ſtaltunggebenden Stoff zuzuführen, den ſie in der äußeren
Natur nicht findet: erſt an der Individualität dieſes
einen, beſonderen Menſchen wird die Muſik zur rein
menſchlichen Kunſt; ſie verzehrt dieſe Individualität, um
aus der Zerfloſſenheit ihres Elementes ſelbſt zur Verdich¬
tung, zur Individualität zu gelangen.
So ſehen wir denn in der Muſik, wie in den andern
Künſten — aber aus ganz andren Gründen, Manieren
oder ſogenannte Schulen meiſt nur aus der Individualität
eines beſonderen Künſtlers hervorgehen. Dieſe Schulen
waren die Zunftgenoſſenſchaften, die ſich um einen großen
Meiſter, in dem ſich das Weſen der Muſik individualiſirt
hatte, nachahmend — ja nachbetend ſammelten. So lange
nun die Muſik ihre kunſtweltgeſchichtliche Aufgabe noch
nicht gelöſt hatte, vermochten die weitausgedehnten Aeſte
dieſer Schulen, unter dieſer oder jener verwandtſchaftlichen
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