Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.hoven als Krone auf die Spitze seiner Tonschöpfung setzte. Die letzte Symphonie Beethovens ist die Er¬ So hat die Musik aus sich vollbracht, was keine der hoven als Krone auf die Spitze ſeiner Tonſchöpfung ſetzte. Die letzte Symphonie Beethovens iſt die Er¬ So hat die Muſik aus ſich vollbracht, was keine der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0110" n="94"/> hoven als Krone auf die Spitze ſeiner Tonſchöpfung ſetzte.<lb/> Dieſes Wort war: — <hi rendition="#g">Freude</hi>! Und mit dieſem Worte<lb/> ruft er den Menſchen zu: „<hi rendition="#g">Seid umſchlungen</hi>, <hi rendition="#g">Millio¬<lb/> nen</hi>! <hi rendition="#g">Dieſen Kuß der ganzen Welt</hi>!“ — <hi rendition="#g">Und<lb/> dieſes Wort</hi> wird die Sprache des <hi rendition="#g">Kunſtwerkes der<lb/> Zukunft</hi> ſein. —</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">letzte Symphonie</hi> Beethovens iſt die Er¬<lb/> löſung der Muſik aus ihrem eigenſten Elemente heraus<lb/> zur <hi rendition="#g">allgemeinſamen Kunſt</hi>. Sie iſt das <hi rendition="#g">menſchliche</hi><lb/> Evangelium der Kunſt der Zukunft. Auf ſie iſt kein<lb/><hi rendition="#g">Fortſchritt</hi> möglich, denn auf ſie unmittelbar kann nur<lb/> das vollendete Kunſtwerk der Zukunft: das <hi rendition="#g">allgemein¬<lb/> ſame Drama</hi>, folgen, zu dem <hi rendition="#g">Beethoven</hi> uns den<lb/> künſtleriſchen Schlüſſel geſchmiedet hat.</p><lb/> <p>So hat die Muſik aus ſich vollbracht, was keine der<lb/> anderen geſchiedenen Künſte vermochte. Jede dieſer Künſte<lb/> half ſich in ihrer öden Selbſtſtändigkeit nur durch Nehmen<lb/> und egoiſtiſches Entlehnen; und keine vermochte es daher,<lb/><hi rendition="#g">ſie ſelbſt</hi> zu ſein und aus ſich das vereinigende Band für<lb/> Alle zu weben. Die Tonkunſt, indem ſie ganz <hi rendition="#g">ſie ſelbſt</hi><lb/> war und aus ihrem ureigenſten Elemente ſich bewegte, ge¬<lb/> langte zu der Kraft des großartigſten, liebevollſten Selbſt¬<lb/> opfers, ſich ſelbſt zu beherrſchen, ja zu verleugnen, um den<lb/> Schweſtern die erlöſende Hand zu reichen. Sie hat als<lb/> das <hi rendition="#g">Herz</hi> ſich bewährt, das Kopf und Glieder verbindet;<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [94/0110]
hoven als Krone auf die Spitze ſeiner Tonſchöpfung ſetzte.
Dieſes Wort war: — Freude! Und mit dieſem Worte
ruft er den Menſchen zu: „Seid umſchlungen, Millio¬
nen! Dieſen Kuß der ganzen Welt!“ — Und
dieſes Wort wird die Sprache des Kunſtwerkes der
Zukunft ſein. —
Die letzte Symphonie Beethovens iſt die Er¬
löſung der Muſik aus ihrem eigenſten Elemente heraus
zur allgemeinſamen Kunſt. Sie iſt das menſchliche
Evangelium der Kunſt der Zukunft. Auf ſie iſt kein
Fortſchritt möglich, denn auf ſie unmittelbar kann nur
das vollendete Kunſtwerk der Zukunft: das allgemein¬
ſame Drama, folgen, zu dem Beethoven uns den
künſtleriſchen Schlüſſel geſchmiedet hat.
So hat die Muſik aus ſich vollbracht, was keine der
anderen geſchiedenen Künſte vermochte. Jede dieſer Künſte
half ſich in ihrer öden Selbſtſtändigkeit nur durch Nehmen
und egoiſtiſches Entlehnen; und keine vermochte es daher,
ſie ſelbſt zu ſein und aus ſich das vereinigende Band für
Alle zu weben. Die Tonkunſt, indem ſie ganz ſie ſelbſt
war und aus ihrem ureigenſten Elemente ſich bewegte, ge¬
langte zu der Kraft des großartigſten, liebevollſten Selbſt¬
opfers, ſich ſelbſt zu beherrſchen, ja zu verleugnen, um den
Schweſtern die erlöſende Hand zu reichen. Sie hat als
das Herz ſich bewährt, das Kopf und Glieder verbindet;
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