unmotivirte Triumph dünken, -- der -- nicht als noth¬ wendige Errungenschaft, sondern als willkürliches Gnaden¬ geschenk -- uns sittlich, wie wir auf das Sehnen des Herzens es verlangen, daher nicht zu erheben und zu be¬ friedigen vermag.
Wer fühlte sich von diesem Siege aber wohl unbe¬ friedigter als Beethoven selbst? Gelüstete es ihn nach einem zweiten dieser Art? Wohl das gedankenlose Heer der Nachahmer, die aus gloriosem Dur-Jubel, nach aus¬ gestandenen Moll-Beschwerden sich unaufhörliche Siegesfeste bereiteten, -- nicht aber den Meister selbst, der in seinen Werken die Weltgeschichte der Musik zu schreiben be¬ rufen war.
Mit ehrfurchtsvoller Scheu mied er es, von Neuem sich in das Meer jenes unstillbaren schrankenlosen Sehnens zu stürzen. Zu den heitren lebensfrohen Menschen rich¬ tete er seinen Schritt, die er auf frischer Aue, am Rande des duftenden Waldes unter sonnigem Himmel gelagert, scherzend, kosend und tanzend gewahrte. Dort unter dem Schatten der Bäumer, beim Rauschen des Laubes, beim traulichen Rieseln des Baches, schloß er einen beseligenden Bund mit der Natur; da fühlte er sich Mensch und sein Sehnen tief in dem Busen zurückgedrängt vor der Allmacht süß beglückender Erscheinung. So dankbar war er gegen diese Erscheinung, daß er die einzelnen Theile des Ton¬
unmotivirte Triumph dünken, — der — nicht als noth¬ wendige Errungenſchaft, ſondern als willkürliches Gnaden¬ geſchenk — uns ſittlich, wie wir auf das Sehnen des Herzens es verlangen, daher nicht zu erheben und zu be¬ friedigen vermag.
Wer fühlte ſich von dieſem Siege aber wohl unbe¬ friedigter als Beethoven ſelbſt? Gelüſtete es ihn nach einem zweiten dieſer Art? Wohl das gedankenloſe Heer der Nachahmer, die aus glorioſem Dur-Jubel, nach aus¬ geſtandenen Moll-Beſchwerden ſich unaufhörliche Siegesfeſte bereiteten, — nicht aber den Meiſter ſelbſt, der in ſeinen Werken die Weltgeſchichte der Muſik zu ſchreiben be¬ rufen war.
Mit ehrfurchtsvoller Scheu mied er es, von Neuem ſich in das Meer jenes unſtillbaren ſchrankenloſen Sehnens zu ſtürzen. Zu den heitren lebensfrohen Menſchen rich¬ tete er ſeinen Schritt, die er auf friſcher Aue, am Rande des duftenden Waldes unter ſonnigem Himmel gelagert, ſcherzend, koſend und tanzend gewahrte. Dort unter dem Schatten der Bäumer, beim Rauſchen des Laubes, beim traulichen Rieſeln des Baches, ſchloß er einen beſeligenden Bund mit der Natur; da fühlte er ſich Menſch und ſein Sehnen tief in dem Buſen zurückgedrängt vor der Allmacht ſüß beglückender Erſcheinung. So dankbar war er gegen dieſe Erſcheinung, daß er die einzelnen Theile des Ton¬
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unmotivirte Triumph dünken, — der — nicht als noth¬
wendige Errungenſchaft, ſondern als willkürliches Gnaden¬
geſchenk — uns ſittlich, wie wir auf das Sehnen des
Herzens es verlangen, daher nicht zu erheben und zu be¬
friedigen vermag.
Wer fühlte ſich von dieſem Siege aber wohl unbe¬
friedigter als Beethoven ſelbſt? Gelüſtete es ihn nach
einem zweiten dieſer Art? Wohl das gedankenloſe Heer
der Nachahmer, die aus glorioſem Dur-Jubel, nach aus¬
geſtandenen Moll-Beſchwerden ſich unaufhörliche Siegesfeſte
bereiteten, — nicht aber den Meiſter ſelbſt, der in ſeinen
Werken die Weltgeſchichte der Muſik zu ſchreiben be¬
rufen war.
Mit ehrfurchtsvoller Scheu mied er es, von Neuem
ſich in das Meer jenes unſtillbaren ſchrankenloſen Sehnens
zu ſtürzen. Zu den heitren lebensfrohen Menſchen rich¬
tete er ſeinen Schritt, die er auf friſcher Aue, am Rande
des duftenden Waldes unter ſonnigem Himmel gelagert,
ſcherzend, koſend und tanzend gewahrte. Dort unter dem
Schatten der Bäumer, beim Rauſchen des Laubes, beim
traulichen Rieſeln des Baches, ſchloß er einen beſeligenden
Bund mit der Natur; da fühlte er ſich Menſch und ſein
Sehnen tief in dem Buſen zurückgedrängt vor der Allmacht
ſüß beglückender Erſcheinung. So dankbar war er gegen
dieſe Erſcheinung, daß er die einzelnen Theile des Ton¬
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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/105>, abgerufen am 22.07.2024.
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