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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.

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gründliche Meer unbeschränktester Fülle und rastlosester
Bewegung zur losgebundensten Freiheit zu entfesseln. Die
harmonische Melodie -- denn so müssen wir die vom
Sprachvers getrennte zum Unterschied von der rhythmischen
Tanzmelodie bezeichnen, -- war, nur von Instrumenten
getragen, des unbegränztesten Ausdruckes, wie der schran¬
kenlosesten Behandlung fähig. In langen zusammenhän¬
genden Zügen, wie in größeren, kleineren, ja kleinsten
Bruchtheilen, wurde sie in den dichterischen Händen des
Meisters zu Lauten, Sylben, Worten und Phrasen einer
Sprache, in der das Unerhörteste, Unsäglichste, nie
Ausgesprochene, sich kund geben konnte. Jeder Buchstabe
dieser Sprache war unendlich seelenvolles Element,
und das Maß der Fügung dieser Elemente unbegränzt
freies Ermessen, wie es nur irgend der nach uner¬
meßlichem Ausdrucke des unergründlichsten Sehnens ver¬
langende Tondichter ausüben mochte. Froh dieses unaus¬
sprechlich ausdrucksvollen Syrachvermögens, aber leidend
unter der Wucht des künstlerischen Seelenverlangens,
das in seiner Unendlichkeit nur sich selbst Gegenstand zu
sein, nicht außer ihm sich zu befriedigen, vermochte, --
suchte der überselige unselige, meerfrohe und meermüde
Segler nach einem sichren Ankerhafen aus dem wonnigen
Sturme wilden Ungestümes. War sein Sprachvermögen
unendlich, so war aber auch das Sehnen unendlich, das

gründliche Meer unbeſchränkteſter Fülle und raſtloſeſter
Bewegung zur losgebundenſten Freiheit zu entfeſſeln. Die
harmoniſche Melodie — denn ſo müſſen wir die vom
Sprachvers getrennte zum Unterſchied von der rhythmiſchen
Tanzmelodie bezeichnen, — war, nur von Inſtrumenten
getragen, des unbegränzteſten Ausdruckes, wie der ſchran¬
kenloſeſten Behandlung fähig. In langen zuſammenhän¬
genden Zügen, wie in größeren, kleineren, ja kleinſten
Bruchtheilen, wurde ſie in den dichteriſchen Händen des
Meiſters zu Lauten, Sylben, Worten und Phraſen einer
Sprache, in der das Unerhörteſte, Unſäglichſte, nie
Ausgeſprochene, ſich kund geben konnte. Jeder Buchſtabe
dieſer Sprache war unendlich ſeelenvolles Element,
und das Maß der Fügung dieſer Elemente unbegränzt
freies Ermeſſen, wie es nur irgend der nach uner¬
meßlichem Ausdrucke des unergründlichſten Sehnens ver¬
langende Tondichter ausüben mochte. Froh dieſes unaus¬
ſprechlich ausdrucksvollen Syrachvermögens, aber leidend
unter der Wucht des künſtleriſchen Seelenverlangens,
das in ſeiner Unendlichkeit nur ſich ſelbſt Gegenſtand zu
ſein, nicht außer ihm ſich zu befriedigen, vermochte, —
ſuchte der überſelige unſelige, meerfrohe und meermüde
Segler nach einem ſichren Ankerhafen aus dem wonnigen
Sturme wilden Ungeſtümes. War ſein Sprachvermögen
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[86/0102] gründliche Meer unbeſchränkteſter Fülle und raſtloſeſter Bewegung zur losgebundenſten Freiheit zu entfeſſeln. Die harmoniſche Melodie — denn ſo müſſen wir die vom Sprachvers getrennte zum Unterſchied von der rhythmiſchen Tanzmelodie bezeichnen, — war, nur von Inſtrumenten getragen, des unbegränzteſten Ausdruckes, wie der ſchran¬ kenloſeſten Behandlung fähig. In langen zuſammenhän¬ genden Zügen, wie in größeren, kleineren, ja kleinſten Bruchtheilen, wurde ſie in den dichteriſchen Händen des Meiſters zu Lauten, Sylben, Worten und Phraſen einer Sprache, in der das Unerhörteſte, Unſäglichſte, nie Ausgeſprochene, ſich kund geben konnte. Jeder Buchſtabe dieſer Sprache war unendlich ſeelenvolles Element, und das Maß der Fügung dieſer Elemente unbegränzt freies Ermeſſen, wie es nur irgend der nach uner¬ meßlichem Ausdrucke des unergründlichſten Sehnens ver¬ langende Tondichter ausüben mochte. Froh dieſes unaus¬ ſprechlich ausdrucksvollen Syrachvermögens, aber leidend unter der Wucht des künſtleriſchen Seelenverlangens, das in ſeiner Unendlichkeit nur ſich ſelbſt Gegenſtand zu ſein, nicht außer ihm ſich zu befriedigen, vermochte, — ſuchte der überſelige unſelige, meerfrohe und meermüde Segler nach einem ſichren Ankerhafen aus dem wonnigen Sturme wilden Ungeſtümes. War ſein Sprachvermögen unendlich, ſo war aber auch das Sehnen unendlich, das

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Zitationshilfe: Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/102>, abgerufen am 22.11.2024.