Wagner, Heinrich Leopold: Die Kindermörderinn. Leipzig, 1776. Fiskal! ich weiß nichts, gar nichts; als daß sie heut in aller Früh sich die Zöpf aufmachte, ein Bunne rung aufsetzte und fortgieng; und da gab sie mir ihren Mantel, ihren taftenen und sagt, ich sollt ihn mir aufheben, bis sie wiederkäm, das sagt sie mir dreymal mit den nemlichen Worten, und da mußt ich ihr meinen baumwollenen geben; da gieng sie fort, und da kehrt sie sich unter der Thür noch einmal um und sagte, Lissel! bis ich wiederkomm. Jch will des Todes seyn, wenns nit wahr ist! -- Jetzt haben sie Barmherzigkeit mit mir, mein allerliebster Herr Fiskal! sonst weiß ich nichts mehr, als daß ich den Mantel in meine Küst gelegt habe, wie sie michs geheißen hat; Gott muß mein Zeuge seyn, daß ich ihn nit ge- stohlen habe; -- wenn sie mich foltern, so weiß ich jetzt kein stumpicht Wörtchen mehr. Fiskal. Wer ist denn die Sie? Lissel Wer? -- ey unsre Jungfer! die Jung- fer Ev! Humbrecht. Du Jungfer und der Teufel! -- Die Hure, Herr Fiskal, hat Lunden gerochen, und ist heut morgen davon geloffen. -- (bewegt.) Wenn sie der Teufel nur nicht reitet, daß sie sich gar -- Das gäb eine schöne Himmelfahrt! Fiskal. Dem muß man zuvorkommen! -- Männer, ihr wißt eure Schuldigkeit! (Fausthämmer wollen abgehn.) Halt! noch eins, wie sieht ihr baumwollner Mantel aus? Lissel.
Fiskal! ich weiß nichts, gar nichts; als daß ſie heut in aller Fruͤh ſich die Zoͤpf aufmachte, ein Bunne rung aufſetzte und fortgieng; und da gab ſie mir ihren Mantel, ihren taftenen und ſagt, ich ſollt ihn mir aufheben, bis ſie wiederkaͤm, das ſagt ſie mir dreymal mit den nemlichen Worten, und da mußt ich ihr meinen baumwollenen geben; da gieng ſie fort, und da kehrt ſie ſich unter der Thuͤr noch einmal um und ſagte, Liſſel! bis ich wiederkomm. Jch will des Todes ſeyn, wenns nit wahr iſt! — Jetzt haben ſie Barmherzigkeit mit mir, mein allerliebſter Herr Fiskal! ſonſt weiß ich nichts mehr, als daß ich den Mantel in meine Kuͤſt gelegt habe, wie ſie michs geheißen hat; Gott muß mein Zeuge ſeyn, daß ich ihn nit ge- ſtohlen habe; — wenn ſie mich foltern, ſo weiß ich jetzt kein ſtumpicht Woͤrtchen mehr. Fiskal. Wer iſt denn die Sie? Liſſel Wer? — ey unſre Jungfer! die Jung- fer Ev! Humbrecht. Du Jungfer und der Teufel! — Die Hure, Herr Fiskal, hat Lunden gerochen, und iſt heut morgen davon geloffen. — (bewegt.) Wenn ſie der Teufel nur nicht reitet, daß ſie ſich gar — Das gaͤb eine ſchoͤne Himmelfahrt! Fiskal. Dem muß man zuvorkommen! — Maͤnner, ihr wißt eure Schuldigkeit! (Fauſthaͤmmer wollen abgehn.) Halt! noch eins, wie ſieht ihr baumwollner Mantel aus? Liſſel.
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ſie mir ihren Mantel, ihren taftenen und ſagt, ich
ſollt ihn mir aufheben, bis ſie wiederkaͤm, das
ſagt ſie mir dreymal mit den nemlichen Worten,
und da mußt ich ihr meinen baumwollenen geben;
da gieng ſie fort, und da kehrt ſie ſich unter der
Thuͤr noch einmal um und ſagte, Liſſel! bis ich
wiederkomm. Jch will des Todes ſeyn, wenns
nit wahr iſt! — Jetzt haben ſie Barmherzigkeit
mit mir, mein allerliebſter Herr Fiskal! ſonſt weiß
ich nichts mehr, als daß ich den Mantel in meine
Kuͤſt gelegt habe, wie ſie michs geheißen hat;
Gott muß mein Zeuge ſeyn, daß ich ihn nit ge-
ſtohlen habe; — wenn ſie mich foltern, ſo weiß
ich jetzt kein ſtumpicht Woͤrtchen mehr.
Fiskal. Wer iſt denn die Sie?
Liſſel Wer? — ey unſre Jungfer! die Jung-
fer Ev!
Humbrecht. Du Jungfer und der Teufel! —
Die Hure, Herr Fiskal, hat Lunden gerochen, und
iſt heut morgen davon geloffen. — (bewegt.) Wenn
ſie der Teufel nur nicht reitet, daß ſie ſich gar —
Das gaͤb eine ſchoͤne Himmelfahrt!
Fiskal. Dem muß man zuvorkommen! —
Maͤnner, ihr wißt eure Schuldigkeit! (Fauſthaͤmmer
wollen abgehn.) Halt! noch eins, wie ſieht ihr
baumwollner Mantel aus?
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