Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873

Bild:
<< vorherige Seite

pwa_428.001
diese. O bei Allem, Rodrigo, Was du und ich dereinst im Himmel pwa_428.002
hoffen, Von dieser Stelle, Rodrigo, verjage, verjage (Epanodos) mich pwa_428.003
von dieser Stelle nicht!"

pwa_428.004
Wir wenden uns nun zur zweiten Hauptgattung dieser Wiederholungen; pwa_428.005
hier kehrt nicht dasselbe Wort in unveränderter Form und pwa_428.006
Bedeutung wieder, sondern mit wechselnder Form und demgemäss auch pwa_428.007
mit noch mehr oder weniger veränderter Bedeutung. Wenn zuerst die pwa_428.008
Flexionsform wechselt, wenn das wiederholt gebrauchte Wort verschiedene pwa_428.009
Declinations- oder Conjugationsformen zeigt, so nennt man das pwa_428.010
ein Polyptoton (poluptoton). Eigentlich passt dieser Name nur, wo pwa_428.011
vielerlei verschiedene Declinationsformen vorkommen, da ptosis Fall, pwa_428.012
Casus bedeutet; aber die Benennung gilt auch, wo es die wechselnde pwa_428.013
Conjugationsweise betrifft. Ein reiches Beispiel bietet Homers Odyssee pwa_428.014
19, 204 fgg., wo in fünf Versen1 der Begriff tekein, schmelzen, in den pwa_428.015
Formen teketo, katateketo, katetexen, tekomenos, teketo wiederkehrt. pwa_428.016
Voss hat dieses Polyptoton in seiner Uebersetzung trefflich nachgeahmt: pwa_428.017
"Aber den Hörenden floss die schmelzende Thrän' auf die Wang' pwa_428.018
hin; So wie der Schnee hinschmilzt auf hochgescheitelten Bergen, pwa_428.019
Welchen der Ost hinschmelzte, nachdem ihn geschüttelt der Westwind; pwa_428.020
Dass von geschmolzener Nässe gedrängt abfliessen die Bäche: Also pwa_428.021
schmolz in Thränen der Gattin liebliches Antlitz." Mit Epizeuxis verbunden pwa_428.022
erscheint das Polyptoton in einem Xenion Göthes auf Nicolai pwa_428.023
(LB. 2, 1086, 30): "Seine Meinung sagt er von seinem Jahrhundert, er pwa_428.024
sagt sie, Nochmals sagt er sie laut, hat sie gesagt und geht ab." pwa_428.025
Nicht so häufige Wiederkehr und doch das stärkste Beispiel bietet pwa_428.026
Ovid Metam. 1, 325: "Et superesse videt de tot modo millibus unum, pwa_428.027
Et superesse videt de tot modo millibus unam:" hier verbindet sich mit pwa_428.028
dem Polyptoton noch die Anaphora, oder wie man es nennen wolle.

pwa_428.029
Geht der Wechsel der Form weiter, wechselt sie, weil ein anderes pwa_428.030
von der gleichen Wurzel oder dem gleichen Stamm gebildetes Wort eintritt, pwa_428.031
so heisst das Annominatio, ein Name, der, wie wir früher (S. 391) pwa_428.032
gesehen, auch das Wortspiel bezeichnet. Z. B. bei Klopstock: "Die Stille pwa_428.033
ward stiller;" oder wiederum Klopstock (Mess. 6, 190): "Lass, den meine pwa_428.034
Seele geliebt hat, Den ich liebe mit viel mehr Liebe wie Liebe der Brüder, pwa_428.035
Lass mich mit dir, du Heiligster, sterben!" So auch Voss: "Schreibend

1 pwa_428.036
1) tes d' ar akououses Ree dakrua, teketo de khros. pwa_428.037
os de khion katateket' en akropoloisin oressin, pwa_428.038
en t' Euros katetexen, epen Zephuros katakheue; pwa_428.039
tekomenos d' ara tes potamoi plethousi Reontes; pwa_428.040
os tes teketo kala pareia dakru kheouses.

pwa_428.001
diese. O bei Allem, Rodrigo, Was du und ich dereinst im Himmel pwa_428.002
hoffen, Von dieser Stelle, Rodrigo, verjage, verjage (Epanodos) mich pwa_428.003
von dieser Stelle nicht!“

pwa_428.004
Wir wenden uns nun zur zweiten Hauptgattung dieser Wiederholungen; pwa_428.005
hier kehrt nicht dasselbe Wort in unveränderter Form und pwa_428.006
Bedeutung wieder, sondern mit wechselnder Form und demgemäss auch pwa_428.007
mit noch mehr oder weniger veränderter Bedeutung. Wenn zuerst die pwa_428.008
Flexionsform wechselt, wenn das wiederholt gebrauchte Wort verschiedene pwa_428.009
Declinations- oder Conjugationsformen zeigt, so nennt man das pwa_428.010
ein Polyptoton (πολύπτωτον). Eigentlich passt dieser Name nur, wo pwa_428.011
vielerlei verschiedene Declinationsformen vorkommen, da πτῶσις Fall, pwa_428.012
Casus bedeutet; aber die Benennung gilt auch, wo es die wechselnde pwa_428.013
Conjugationsweise betrifft. Ein reiches Beispiel bietet Homers Odyssee pwa_428.014
19, 204 fgg., wo in fünf Versen1 der Begriff τήκειν, schmelzen, in den pwa_428.015
Formen τήκετο, κατατήκετο, κατέτηξεν, τηκόμενος, τήκετο wiederkehrt. pwa_428.016
Voss hat dieses Polyptoton in seiner Uebersetzung trefflich nachgeahmt: pwa_428.017
„Aber den Hörenden floss die schmelzende Thrän' auf die Wang' pwa_428.018
hin; So wie der Schnee hinschmilzt auf hochgescheitelten Bergen, pwa_428.019
Welchen der Ost hinschmelzte, nachdem ihn geschüttelt der Westwind; pwa_428.020
Dass von geschmolzener Nässe gedrängt abfliessen die Bäche: Also pwa_428.021
schmolz in Thränen der Gattin liebliches Antlitz.“ Mit Epizeuxis verbunden pwa_428.022
erscheint das Polyptoton in einem Xenion Göthes auf Nicolai pwa_428.023
(LB. 2, 1086, 30): „Seine Meinung sagt er von seinem Jahrhundert, er pwa_428.024
sagt sie, Nochmals sagt er sie laut, hat sie gesagt und geht ab.“ pwa_428.025
Nicht so häufige Wiederkehr und doch das stärkste Beispiel bietet pwa_428.026
Ovid Metam. 1, 325: „Et superesse videt de tot modo millibus unum, pwa_428.027
Et superesse videt de tot modo millibus unam:“ hier verbindet sich mit pwa_428.028
dem Polyptoton noch die Anaphora, oder wie man es nennen wolle.

pwa_428.029
Geht der Wechsel der Form weiter, wechselt sie, weil ein anderes pwa_428.030
von der gleichen Wurzel oder dem gleichen Stamm gebildetes Wort eintritt, pwa_428.031
so heisst das Annominatio, ein Name, der, wie wir früher (S. 391) pwa_428.032
gesehen, auch das Wortspiel bezeichnet. Z. B. bei Klopstock: „Die Stille pwa_428.033
ward stiller;“ oder wiederum Klopstock (Mess. 6, 190): „Lass, den meine pwa_428.034
Seele geliebt hat, Den ich liebe mit viel mehr Liebe wie Liebe der Brüder, pwa_428.035
Lass mich mit dir, du Heiligster, sterben!“ So auch Voss: „Schreibend

1 pwa_428.036
1) τῆς δ' ἄρ ἀκουούσης ῥέε δάκρυα, τήκετο δὲ χρώς. pwa_428.037
ὡς δὲ χιὼν κατατήκετ' ἐν ἀκροπόλοισιν ὄρεσσιν, pwa_428.038
ἥν τ' Εὖρος κατέτηξεν, ἐπὴν Ζέφυρος καταχεύῃ· pwa_428.039
τήκομενος δ' ἄρα τῆς ποταμοὶ πλήθουσι ῥέοντες· pwa_428.040
ὧς τῆς τήκετο καλὰ παρήϊα δάκρυ χεούσης.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0446" n="428"/><lb n="pwa_428.001"/>
diese. O bei Allem, Rodrigo, Was du und ich dereinst im Himmel <lb n="pwa_428.002"/>
hoffen, <hi rendition="#i">Von dieser Stelle,</hi> Rodrigo, <hi rendition="#i">verjage, verjage</hi> (Epanodos) mich <lb n="pwa_428.003"/> <hi rendition="#i">von dieser Stelle</hi> nicht!&#x201C;</p>
              <p><lb n="pwa_428.004"/>
Wir wenden uns nun zur zweiten Hauptgattung dieser Wiederholungen; <lb n="pwa_428.005"/>
hier kehrt nicht dasselbe Wort in unveränderter Form und <lb n="pwa_428.006"/>
Bedeutung wieder, sondern mit wechselnder Form und demgemäss auch <lb n="pwa_428.007"/>
mit noch mehr oder weniger veränderter Bedeutung. Wenn zuerst die <lb n="pwa_428.008"/>
Flexionsform wechselt, wenn das wiederholt gebrauchte Wort verschiedene <lb n="pwa_428.009"/>
Declinations- oder Conjugationsformen zeigt, so nennt man das <lb n="pwa_428.010"/>
ein <hi rendition="#b">Polyptoton</hi> (<foreign xml:lang="grc">&#x03C0;&#x03BF;&#x03BB;&#x03CD;&#x03C0;&#x03C4;&#x03C9;&#x03C4;&#x03BF;&#x03BD;</foreign>). Eigentlich passt dieser Name nur, wo <lb n="pwa_428.011"/>
vielerlei verschiedene Declinationsformen vorkommen, da <foreign xml:lang="grc">&#x03C0;&#x03C4;&#x1FF6;&#x03C3;&#x03B9;&#x03C2;</foreign> Fall, <lb n="pwa_428.012"/>
Casus bedeutet; aber die Benennung gilt auch, wo es die wechselnde <lb n="pwa_428.013"/>
Conjugationsweise betrifft. Ein reiches Beispiel bietet Homers Odyssee <lb n="pwa_428.014"/>
19, 204 fgg., wo in fünf Versen<note xml:id="pwa_428_1" place="foot" n="1"><lb n="pwa_428.036"/>
1) <foreign xml:lang="grc">&#x03C4;&#x1FC6;&#x03C2; &#x03B4;' &#x1F04;&#x03C1; &#x1F00;&#x03BA;&#x03BF;&#x03C5;&#x03BF;&#x03CD;&#x03C3;&#x03B7;&#x03C2; &#x1FE5;&#x03AD;&#x03B5; &#x03B4;&#x03AC;&#x03BA;&#x03C1;&#x03C5;&#x03B1;, &#x03C4;&#x03AE;&#x03BA;&#x03B5;&#x03C4;&#x03BF; &#x03B4;&#x1F72; &#x03C7;&#x03C1;&#x03CE;&#x03C2;</foreign>. <lb n="pwa_428.037"/>
<foreign xml:lang="grc">&#x1F61;&#x03C2; &#x03B4;&#x1F72; &#x03C7;&#x03B9;&#x1F7C;&#x03BD; &#x03BA;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B1;&#x03C4;&#x03AE;&#x03BA;&#x03B5;&#x03C4;' &#x1F10;&#x03BD; &#x1F00;&#x03BA;&#x03C1;&#x03BF;&#x03C0;&#x03CC;&#x03BB;&#x03BF;&#x03B9;&#x03C3;&#x03B9;&#x03BD; &#x1F44;&#x03C1;&#x03B5;&#x03C3;&#x03C3;&#x03B9;&#x03BD;</foreign>, <lb n="pwa_428.038"/>
<foreign xml:lang="grc">&#x1F25;&#x03BD; &#x03C4;' &#x0395;&#x1F56;&#x03C1;&#x03BF;&#x03C2; &#x03BA;&#x03B1;&#x03C4;&#x03AD;&#x03C4;&#x03B7;&#x03BE;&#x03B5;&#x03BD;, &#x1F10;&#x03C0;&#x1F74;&#x03BD; &#x0396;&#x03AD;&#x03C6;&#x03C5;&#x03C1;&#x03BF;&#x03C2; &#x03BA;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B1;&#x03C7;&#x03B5;&#x03CD;&#x1FC3;&#x0387;</foreign> <lb n="pwa_428.039"/>
<foreign xml:lang="grc">&#x03C4;&#x03AE;&#x03BA;&#x03BF;&#x03BC;&#x03B5;&#x03BD;&#x03BF;&#x03C2; &#x03B4;' &#x1F04;&#x03C1;&#x03B1; &#x03C4;&#x1FC6;&#x03C2; &#x03C0;&#x03BF;&#x03C4;&#x03B1;&#x03BC;&#x03BF;&#x1F76; &#x03C0;&#x03BB;&#x03AE;&#x03B8;&#x03BF;&#x03C5;&#x03C3;&#x03B9; &#x1FE5;&#x03AD;&#x03BF;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B5;&#x03C2;&#x0387;</foreign> <lb n="pwa_428.040"/>
<foreign xml:lang="grc">&#x1F67;&#x03C2; &#x03C4;&#x1FC6;&#x03C2; &#x03C4;&#x03AE;&#x03BA;&#x03B5;&#x03C4;&#x03BF; &#x03BA;&#x03B1;&#x03BB;&#x1F70; &#x03C0;&#x03B1;&#x03C1;&#x03AE;&#x03CA;&#x03B1; &#x03B4;&#x03AC;&#x03BA;&#x03C1;&#x03C5; &#x03C7;&#x03B5;&#x03BF;&#x03CD;&#x03C3;&#x03B7;&#x03C2;</foreign>.</note> der Begriff <foreign xml:lang="grc">&#x03C4;&#x03AE;&#x03BA;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD;</foreign>, schmelzen, in den <lb n="pwa_428.015"/>
Formen <foreign xml:lang="grc">&#x03C4;&#x03AE;&#x03BA;&#x03B5;&#x03C4;&#x03BF;, &#x03BA;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B1;&#x03C4;&#x03AE;&#x03BA;&#x03B5;&#x03C4;&#x03BF;, &#x03BA;&#x03B1;&#x03C4;&#x03AD;&#x03C4;&#x03B7;&#x03BE;&#x03B5;&#x03BD;, &#x03C4;&#x03B7;&#x03BA;&#x03CC;&#x03BC;&#x03B5;&#x03BD;&#x03BF;&#x03C2;, &#x03C4;&#x03AE;&#x03BA;&#x03B5;&#x03C4;&#x03BF;</foreign> wiederkehrt. <lb n="pwa_428.016"/>
Voss hat dieses Polyptoton in seiner Uebersetzung trefflich nachgeahmt: <lb n="pwa_428.017"/>
&#x201E;Aber den Hörenden floss die <hi rendition="#i">schmelzende</hi> Thrän' auf die Wang' <lb n="pwa_428.018"/>
hin; So wie der Schnee <hi rendition="#i">hinschmilzt</hi> auf hochgescheitelten Bergen, <lb n="pwa_428.019"/>
Welchen der Ost <hi rendition="#i">hinschmelzte,</hi> nachdem ihn geschüttelt der Westwind; <lb n="pwa_428.020"/>
Dass von <hi rendition="#i">geschmolzener</hi> Nässe gedrängt abfliessen die Bäche: Also <lb n="pwa_428.021"/> <hi rendition="#i">schmolz</hi> in Thränen der Gattin liebliches Antlitz.&#x201C; Mit Epizeuxis verbunden <lb n="pwa_428.022"/>
erscheint das Polyptoton in einem Xenion Göthes auf Nicolai <lb n="pwa_428.023"/>
(LB. 2, 1086, 30): &#x201E;Seine Meinung sagt er von seinem Jahrhundert, er <lb n="pwa_428.024"/>
sagt sie, Nochmals sagt er sie laut, hat sie gesagt und geht ab.&#x201C; <lb n="pwa_428.025"/>
Nicht so häufige Wiederkehr und doch das stärkste Beispiel bietet <lb n="pwa_428.026"/>
Ovid Metam. 1, 325: &#x201E;Et superesse videt de tot modo millibus <hi rendition="#i">unum,</hi> <lb n="pwa_428.027"/>
Et superesse videt de tot modo millibus <hi rendition="#i">unam:</hi>&#x201C; hier verbindet sich mit <lb n="pwa_428.028"/>
dem Polyptoton noch die Anaphora, oder wie man es nennen wolle.</p>
              <p><lb n="pwa_428.029"/>
Geht der Wechsel der Form weiter, wechselt sie, weil ein anderes <lb n="pwa_428.030"/>
von der gleichen Wurzel oder dem gleichen Stamm gebildetes Wort eintritt, <lb n="pwa_428.031"/>
so heisst das <hi rendition="#b">Annominatio,</hi> ein Name, der, wie wir früher (S. 391) <lb n="pwa_428.032"/>
gesehen, auch das Wortspiel bezeichnet. Z. B. bei Klopstock: &#x201E;Die Stille <lb n="pwa_428.033"/>
ward stiller;&#x201C; oder wiederum Klopstock (Mess. 6, 190): &#x201E;Lass, den meine <lb n="pwa_428.034"/>
Seele <hi rendition="#i">geliebt</hi> hat, Den ich <hi rendition="#i">liebe</hi> mit viel mehr <hi rendition="#i">Liebe</hi> wie <hi rendition="#i">Liebe</hi> der Brüder, <lb n="pwa_428.035"/>
Lass mich mit dir, du Heiligster, sterben!&#x201C; So auch Voss: &#x201E;Schreibend
</p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[428/0446] pwa_428.001 diese. O bei Allem, Rodrigo, Was du und ich dereinst im Himmel pwa_428.002 hoffen, Von dieser Stelle, Rodrigo, verjage, verjage (Epanodos) mich pwa_428.003 von dieser Stelle nicht!“ pwa_428.004 Wir wenden uns nun zur zweiten Hauptgattung dieser Wiederholungen; pwa_428.005 hier kehrt nicht dasselbe Wort in unveränderter Form und pwa_428.006 Bedeutung wieder, sondern mit wechselnder Form und demgemäss auch pwa_428.007 mit noch mehr oder weniger veränderter Bedeutung. Wenn zuerst die pwa_428.008 Flexionsform wechselt, wenn das wiederholt gebrauchte Wort verschiedene pwa_428.009 Declinations- oder Conjugationsformen zeigt, so nennt man das pwa_428.010 ein Polyptoton (πολύπτωτον). Eigentlich passt dieser Name nur, wo pwa_428.011 vielerlei verschiedene Declinationsformen vorkommen, da πτῶσις Fall, pwa_428.012 Casus bedeutet; aber die Benennung gilt auch, wo es die wechselnde pwa_428.013 Conjugationsweise betrifft. Ein reiches Beispiel bietet Homers Odyssee pwa_428.014 19, 204 fgg., wo in fünf Versen 1 der Begriff τήκειν, schmelzen, in den pwa_428.015 Formen τήκετο, κατατήκετο, κατέτηξεν, τηκόμενος, τήκετο wiederkehrt. pwa_428.016 Voss hat dieses Polyptoton in seiner Uebersetzung trefflich nachgeahmt: pwa_428.017 „Aber den Hörenden floss die schmelzende Thrän' auf die Wang' pwa_428.018 hin; So wie der Schnee hinschmilzt auf hochgescheitelten Bergen, pwa_428.019 Welchen der Ost hinschmelzte, nachdem ihn geschüttelt der Westwind; pwa_428.020 Dass von geschmolzener Nässe gedrängt abfliessen die Bäche: Also pwa_428.021 schmolz in Thränen der Gattin liebliches Antlitz.“ Mit Epizeuxis verbunden pwa_428.022 erscheint das Polyptoton in einem Xenion Göthes auf Nicolai pwa_428.023 (LB. 2, 1086, 30): „Seine Meinung sagt er von seinem Jahrhundert, er pwa_428.024 sagt sie, Nochmals sagt er sie laut, hat sie gesagt und geht ab.“ pwa_428.025 Nicht so häufige Wiederkehr und doch das stärkste Beispiel bietet pwa_428.026 Ovid Metam. 1, 325: „Et superesse videt de tot modo millibus unum, pwa_428.027 Et superesse videt de tot modo millibus unam:“ hier verbindet sich mit pwa_428.028 dem Polyptoton noch die Anaphora, oder wie man es nennen wolle. pwa_428.029 Geht der Wechsel der Form weiter, wechselt sie, weil ein anderes pwa_428.030 von der gleichen Wurzel oder dem gleichen Stamm gebildetes Wort eintritt, pwa_428.031 so heisst das Annominatio, ein Name, der, wie wir früher (S. 391) pwa_428.032 gesehen, auch das Wortspiel bezeichnet. Z. B. bei Klopstock: „Die Stille pwa_428.033 ward stiller;“ oder wiederum Klopstock (Mess. 6, 190): „Lass, den meine pwa_428.034 Seele geliebt hat, Den ich liebe mit viel mehr Liebe wie Liebe der Brüder, pwa_428.035 Lass mich mit dir, du Heiligster, sterben!“ So auch Voss: „Schreibend 1 pwa_428.036 1) τῆς δ' ἄρ ἀκουούσης ῥέε δάκρυα, τήκετο δὲ χρώς. pwa_428.037 ὡς δὲ χιὼν κατατήκετ' ἐν ἀκροπόλοισιν ὄρεσσιν, pwa_428.038 ἥν τ' Εὖρος κατέτηξεν, ἐπὴν Ζέφυρος καταχεύῃ· pwa_428.039 τήκομενος δ' ἄρα τῆς ποταμοὶ πλήθουσι ῥέοντες· pwa_428.040 ὧς τῆς τήκετο καλὰ παρήϊα δάκρυ χεούσης.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wackernagel_poetik_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wackernagel_poetik_1873/446
Zitationshilfe: Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackernagel_poetik_1873/446>, abgerufen am 25.11.2024.