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Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873

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phantasieren, und diess ist es, was die Aposiopese zu einer Wendung pwa_413.002
des beweglichen Fortschrittes macht; sie ist auf dem stilistischen Standpuncte pwa_413.003
ungefähr dasselbe, was auf dem Standpuncte der poetischen pwa_413.004
Production ein Landschaftsgedicht ist, welches dem Leser überlässt, pwa_413.005
sich die Landschaft in ihrer weiteren und immer weiteren Ausdehnung pwa_413.006
selbst auszumalen, wie die früher (S. 407) besprochene Romanze Der pwa_413.007
Räuber von Uhland.

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Zahlreicher als die stilistischen Mittel zur Bewegung des Ruhigen pwa_413.009
sind die zur Beruhigung des Bewegten, und das ist auch ganz natürlich: pwa_413.010
das Denken und Sprechen ist in sich selbst schon progressiv pwa_413.011
bewegt, man muss also eher und öfter in den Fall kommen, die pwa_413.012
Bewegung zu hemmen, weil sie zu schnell ist, als sie zu beschleunigen, pwa_413.013
weil sie ins Stocken geräth. Wir können diese Mittel in zwei pwa_413.014
Classen theilen: sie hemmen die Bewegung, theils indem sie die pwa_413.015
Anschauung nöthigen, längere Zeit auf einem Puncte zu verweilen, pwa_413.016
theils indem sie dieselbe auf eine Vorstellung zurückführen, die ihr pwa_413.017
schon früher einmal vorgelegen hat, also theils durch Verharren, pwa_413.018
theils durch Wiederholung.

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Eins der geläufigsten stilistischen Mittel, um die Einbildungskraft pwa_413.020
zum Verharren zu nöthigen und dadurch die lebendige Anschaulichkeit pwa_413.021
der Vorstellungen zu erhöhen und zu kräftigen, ist das Polysyndeton, pwa_413.022
auf Deutsch etwa die Vielverbundenheit, dem Namen und der Sache pwa_413.023
nach das reine Gegentheil des Asyndetons, der Unverbundenheit. Das pwa_413.024
Asyndeton giebt die sonst gewohnte grammatische Verbindung der Vorstellungen pwa_413.025
auf, dadurch erhält jede einzelne mehr Selbständigkeit, die pwa_413.026
ganze Reihe aber mehr Beweglichkeit des Fortschrittes. Das Polysyndeton pwa_413.027
dagegen verknüpft in einer längeren Reihe von Vorstellungen pwa_413.028
jede mit der ihr vorangehenden, und dadurch wird die Einbildung, pwa_413.029
die vorwärts möchte, fort und fort auf dem gleichen Puncte festgehalten, pwa_413.030
gezwungen, sich an dem Ganzen der Reihe wirklich auch als an pwa_413.031
einem Ganzen recht satt zu schauen. Das Asyndeton giebt eine progressive pwa_413.032
Folge von Momenten; das Polysyndeton macht die einzelnen pwa_413.033
Momente einander gleichzeitig. Beispiele aus Klopstocks Messias, die pwa_413.034
sich schön und lehrreich den früher (S. 409) gegebenen von der Unverbundenheit pwa_413.035
gegenüberstellen: "Er glaubt zu vergehen. Drauf erhebt pwa_413.036
er sich wieder und ist noch und denkt noch und fluchet, Dass er pwa_413.037
noch ist, und spritzt mit bleichen, sterbenden Händen Himmelan Blut" pwa_413.038
(4. Gesang, V. 11). "Er weinte vor Wonne! Wonn' und ewiges Leben und pwa_413.039
Schauer und Wehmuth und Staunen Ueberströmten sein Herz" (8. Gesang, pwa_413.040
LB. 2, 738, 33). Das Asyndeton, weil es eine schnelle Progression pwa_413.041
bezeichnet, dient der eigentlichen Erzählung und belebt und erhebt

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phantasieren, und diess ist es, was die Aposiopese zu einer Wendung pwa_413.002
des beweglichen Fortschrittes macht; sie ist auf dem stilistischen Standpuncte pwa_413.003
ungefähr dasselbe, was auf dem Standpuncte der poetischen pwa_413.004
Production ein Landschaftsgedicht ist, welches dem Leser überlässt, pwa_413.005
sich die Landschaft in ihrer weiteren und immer weiteren Ausdehnung pwa_413.006
selbst auszumalen, wie die früher (S. 407) besprochene Romanze Der pwa_413.007
Räuber von Uhland.

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Zahlreicher als die stilistischen Mittel zur Bewegung des Ruhigen pwa_413.009
sind die zur Beruhigung des Bewegten, und das ist auch ganz natürlich: pwa_413.010
das Denken und Sprechen ist in sich selbst schon progressiv pwa_413.011
bewegt, man muss also eher und öfter in den Fall kommen, die pwa_413.012
Bewegung zu hemmen, weil sie zu schnell ist, als sie zu beschleunigen, pwa_413.013
weil sie ins Stocken geräth. Wir können diese Mittel in zwei pwa_413.014
Classen theilen: sie hemmen die Bewegung, theils indem sie die pwa_413.015
Anschauung nöthigen, längere Zeit auf einem Puncte zu verweilen, pwa_413.016
theils indem sie dieselbe auf eine Vorstellung zurückführen, die ihr pwa_413.017
schon früher einmal vorgelegen hat, also theils durch Verharren, pwa_413.018
theils durch Wiederholung.

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Eins der geläufigsten stilistischen Mittel, um die Einbildungskraft pwa_413.020
zum Verharren zu nöthigen und dadurch die lebendige Anschaulichkeit pwa_413.021
der Vorstellungen zu erhöhen und zu kräftigen, ist das Polysyndeton, pwa_413.022
auf Deutsch etwa die Vielverbundenheit, dem Namen und der Sache pwa_413.023
nach das reine Gegentheil des Asyndetons, der Unverbundenheit. Das pwa_413.024
Asyndeton giebt die sonst gewohnte grammatische Verbindung der Vorstellungen pwa_413.025
auf, dadurch erhält jede einzelne mehr Selbständigkeit, die pwa_413.026
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dagegen verknüpft in einer längeren Reihe von Vorstellungen pwa_413.028
jede mit der ihr vorangehenden, und dadurch wird die Einbildung, pwa_413.029
die vorwärts möchte, fort und fort auf dem gleichen Puncte festgehalten, pwa_413.030
gezwungen, sich an dem Ganzen der Reihe wirklich auch als an pwa_413.031
einem Ganzen recht satt zu schauen. Das Asyndeton giebt eine progressive pwa_413.032
Folge von Momenten; das Polysyndeton macht die einzelnen pwa_413.033
Momente einander gleichzeitig. Beispiele aus Klopstocks Messias, die pwa_413.034
sich schön und lehrreich den früher (S. 409) gegebenen von der Unverbundenheit pwa_413.035
gegenüberstellen: „Er glaubt zu vergehen. Drauf erhebt pwa_413.036
er sich wieder und ist noch und denkt noch und fluchet, Dass er pwa_413.037
noch ist, und spritzt mit bleichen, sterbenden Händen Himmelan Blut“ pwa_413.038
(4. Gesang, V. 11). „Er weinte vor Wonne! Wonn' und ewiges Leben und pwa_413.039
Schauer und Wehmuth und Staunen Ueberströmten sein Herz“ (8. Gesang, pwa_413.040
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Zitationshilfe: Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackernagel_poetik_1873/431>, abgerufen am 22.11.2024.