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Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873

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oder nach altdeutscher Weise rant (mit Bezug auf den eisernen Rand, pwa_394.002
der das Geflecht von Zweigen oder die Bretter zusammenhielt, woraus pwa_394.003
der Schild bestand), statt Schiff Kiel oder Mast oder Segel, statt pwa_394.004
See Wellen, oder wenn altdeutsche Dichter die deutsche Kaiserkrone pwa_394.005
weise nennen nach dem vorzüglichsten Edelstein derselben; und ebenso, pwa_394.006
wenn man in der Kriegssprache, die noch theilweise die sinnlich pwa_394.007
poetische Färbung des Mittelalters trägt, nicht hundert Reiter sagt, pwa_394.008
sondern hundert Pferde, und hundert Helme, hundert Lanzen statt der pwa_394.009
mit Helm und Lanze gerüsteten Krieger. Eine recht starke Synecdoche, pwa_394.010
bei welcher das totum pro parte steht, wird in der Sanctgallischen pwa_394.011
Rhetorik (LB. 14, 135. 15, 313) angeführt: "Porcus per taurum sequitur pwa_394.012
vestigia ferri;" hier bezeichnet porcus die Schweinsborste, taurus pwa_394.013
das Rindsleder und unter den vestigia ferri wird metonymisch das mit pwa_394.014
der Ahle geborte Loch verstanden (synecdochice de opere sutoris pwa_394.015
totum dicitur et pars intelligitur). In anderen synecdochischen Wendungen pwa_394.016
lässt sich das Theilverhältniss noch schärfer bezeichnen: es pwa_394.017
wird z. B. die Gattung statt der Art gesetzt: so, wenn man Künstler pwa_394.018
statt Maler, Sterbliche statt Menschen sagt; oder die Art statt der pwa_394.019
Gattung: z. B. "Der Geizige schielt nach harten Thalern (Geld); der pwa_394.020
frohe Landmann missgönnt dem Städter seine Bälle (Vergnügungen) pwa_394.021
nicht." Man geht auch wohl eine Stufe weiter und gebraucht die Art pwa_394.022
statt des Individuums, z. B. wenn man Herr sagt statt Gott, König; pwa_394.023
oder das Individuum statt der Art, wenn man einen grossen Redner pwa_394.024
Cicero, einen weisen Richter Salomo, einen Kunstfreund Mäcen, einen pwa_394.025
strengen Sittenrichter Cato, eine der Schwelgerei ergebene Stadt Babel pwa_394.026
nennt; eine Art der Synecdoche, die sich mit der Allusion (S. 389) pwa_394.027
berührt und oft mit dem besonderen Namen antonomasia, Umnennung, pwa_394.028
bezeichnet wird. Endlich wird in synecdochischer Weise nicht selten pwa_394.029
die bestimmte Zahl statt der unzähligen Menge gesetzt: z. B. "Tausend pwa_394.030
Zungen verkündigen Gottes Lob"; namentlich aber wird der Singular pwa_394.031
im Sinne der pluralischen Gesammtheit gebraucht: z. B. "Die Lerche pwa_394.032
verkündet den Frühling"; G. Schwab: "Der Indier ist da, der Mohr! pwa_394.033
Der Ahnherr hat die Stadt zerstöret: Wer weiss, was uns der Enkel pwa_394.034
schwor!" (LB. 2, 1459).

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Der vierte Tropus, nach Quintilian 8, 6 tum frequentissimus, tum pwa_394.036
longe pulcherrimus, ist die Metapher; sie trägt den allgemeinsten pwa_394.037
Namen von allen: metaphora heisst die Uebertragung [Annotation]

, eine Benennung, pwa_394.038
die am Ende auf alle figürlichen und tropischen Wendungen passt. [Annotation] pwa_394.039
Die griechischen Rhetoren nennen denn auch nicht bloss diesen einen pwa_394.040
Tropus, der in specie so heisst, sondern daneben auch alle übrigen pwa_394.041
Tropen und Figuren Metaphern, [Annotation] und Cicero hat den lateinischen

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Rhetorik (LB. 14, 135. 15, 313) angeführt: „Porcus per taurum sequitur pwa_394.012
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bezeichnet wird. Endlich wird in synecdochischer Weise nicht selten pwa_394.029
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Zungen verkündigen Gottes Lob“; namentlich aber wird der Singular pwa_394.031
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Der Ahnherr hat die Stadt zerstöret: Wer weiss, was uns der Enkel pwa_394.034
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Zitationshilfe: Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackernagel_poetik_1873/412>, abgerufen am 25.11.2024.