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Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873

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viel zu allgemein; statt dessen sollte eine besondere Art der Tugend, pwa_344.002
etwa die Nächstenliebe, genannt sein.

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Eine sechste Unangemessenheit ist es, wenn man Worte, die ihrem pwa_344.004
Begriffe nach verwandt, vielleicht nah verwandt, aber doch in dieser pwa_344.005
oder jener Beziehung wieder unterschieden sind, wenn man also pwa_344.006
synonyma ohne weiteres eins für das andere gebraucht: ein Fehler, pwa_344.007
der sich auch am häufigsten da ereignet, wo er auch am gefährlichsten pwa_344.008
ist, wo er der Deutlichkeit den meisten Schaden thut, in pwa_344.009
der lehrhaften Prosa: denn natürlich wird man nichts so leicht verwechseln pwa_344.010
als synonyme abstracta. Es bedarf diess keiner weiteren pwa_344.011
Ausführung und keiner Beispiele.

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Eine siebente Unangemessenheit ist der Pleonasmus; er entsteht, pwa_344.013
wenn man einen Begriff, der schon in einem andern enthalten ist, pwa_344.014
noch für sich besonders bezeichnet. Beispiele: alter Greis, armer pwa_344.015
Bettler, tapferer Held, etwas noch einmal wiederholen, ich beschränke pwa_344.016
mich nur darauf, nicht länger mehr, weiter fortfahren, etwas gewöhnlich pwa_344.017
zu thun pflegen, los lösen, voll füllen. Ebenso ist es ein Pleonasmus, pwa_344.018
wenn Platen (LB. 2, 1717, 18) sagt: "Der Väter sonst'gen pwa_344.019
Ruhm." Eine solche Häufung stört die Deutlichkeit, indem sie ermüdet, pwa_344.020
und äfft den Verstand, der mit jedem neuen Worte auch einen neuen pwa_344.021
Begriff erwartet und dafür mit dem neuen Worte auf den alten Fleck pwa_344.022
zurückgeschoben wird.

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Nah verwandt ist dem Pleonasmus ein achter Fehler, die Tautologie. pwa_344.024
Nur wird hier nicht neben dem weiteren Begriff noch der mehr pwa_344.025
besondere eigens und einzeln hingestellt, sondern es wird gradezu ein pwa_344.026
und derselbe Begriff zwei- oder mehrmal wiederholt: z. B. "Nur wenigen pwa_344.027
gelingt es, sich die allgemeine Liebe und Achtung aller Menschen pwa_344.028
zu erwerben;" ferner: einzig und allein, ehe und bevor, sintemal und pwa_344.029
alldieweil, einander gegenseitig, so also, nur allein, bereits schon, pwa_344.030
wieder zurück, mein Hut, den ich gekauft habe. Vgl. LB. 2, 1725, 29: pwa_344.031
"Wenn lallenden Tons sie zu stammeln begann die gestotterte Phrase pwa_344.032
der Unkunst."

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Ein neunter Fehler endlich, der mit dem achten beinahe ganz pwa_344.034
zusammenfällt und ohne sonderlichen Schaden auch mit zu diesem pwa_344.035
kann gezählt werden, ist die Anhäufung von Synonymen. Freilich pwa_344.036
sagen Synonymen, genau betrachtet, niemals ganz dasselbe aus, das pwa_344.037
eine wird immer mehr, das andere weniger von dem gemeinten pwa_344.038
Begriffe, das eine wird ihn von dieser, das andere von jener Seite pwa_344.039
zeigen, und in so fern wird auch die Anhäufung von Synonymen niemals pwa_344.040
eine wirkliche Tautologie sein. Gleichwohl giebt es synonyma, pwa_344.041
zwischen denen die Grenzen so unvermerkt laufen, dass auch eine

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viel zu allgemein; statt dessen sollte eine besondere Art der Tugend, pwa_344.002
etwa die Nächstenliebe, genannt sein.

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Eine sechste Unangemessenheit ist es, wenn man Worte, die ihrem pwa_344.004
Begriffe nach verwandt, vielleicht nah verwandt, aber doch in dieser pwa_344.005
oder jener Beziehung wieder unterschieden sind, wenn man also pwa_344.006
synonyma ohne weiteres eins für das andere gebraucht: ein Fehler, pwa_344.007
der sich auch am häufigsten da ereignet, wo er auch am gefährlichsten pwa_344.008
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der lehrhaften Prosa: denn natürlich wird man nichts so leicht verwechseln pwa_344.010
als synonyme abstracta. Es bedarf diess keiner weiteren pwa_344.011
Ausführung und keiner Beispiele.

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Eine siebente Unangemessenheit ist der Pleonasmus; er entsteht, pwa_344.013
wenn man einen Begriff, der schon in einem andern enthalten ist, pwa_344.014
noch für sich besonders bezeichnet. Beispiele: alter Greis, armer pwa_344.015
Bettler, tapferer Held, etwas noch einmal wiederholen, ich beschränke pwa_344.016
mich nur darauf, nicht länger mehr, weiter fortfahren, etwas gewöhnlich pwa_344.017
zu thun pflegen, los lösen, voll füllen. Ebenso ist es ein Pleonasmus, pwa_344.018
wenn Platen (LB. 2, 1717, 18) sagt: „Der Väter sonst'gen pwa_344.019
Ruhm.“ Eine solche Häufung stört die Deutlichkeit, indem sie ermüdet, pwa_344.020
und äfft den Verstand, der mit jedem neuen Worte auch einen neuen pwa_344.021
Begriff erwartet und dafür mit dem neuen Worte auf den alten Fleck pwa_344.022
zurückgeschoben wird.

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Nah verwandt ist dem Pleonasmus ein achter Fehler, die Tautologie. pwa_344.024
Nur wird hier nicht neben dem weiteren Begriff noch der mehr pwa_344.025
besondere eigens und einzeln hingestellt, sondern es wird gradezu ein pwa_344.026
und derselbe Begriff zwei- oder mehrmal wiederholt: z. B. „Nur wenigen pwa_344.027
gelingt es, sich die allgemeine Liebe und Achtung aller Menschen pwa_344.028
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alldieweil, einander gegenseitig, so also, nur allein, bereits schon, pwa_344.030
wieder zurück, mein Hut, den ich gekauft habe. Vgl. LB. 2, 1725, 29: pwa_344.031
„Wenn lallenden Tons sie zu stammeln begann die gestotterte Phrase pwa_344.032
der Unkunst.“

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Ein neunter Fehler endlich, der mit dem achten beinahe ganz pwa_344.034
zusammenfällt und ohne sonderlichen Schaden auch mit zu diesem pwa_344.035
kann gezählt werden, ist die Anhäufung von Synonymen. Freilich pwa_344.036
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eine wird immer mehr, das andere weniger von dem gemeinten pwa_344.038
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[344/0362] pwa_344.001 viel zu allgemein; statt dessen sollte eine besondere Art der Tugend, pwa_344.002 etwa die Nächstenliebe, genannt sein. pwa_344.003 Eine sechste Unangemessenheit ist es, wenn man Worte, die ihrem pwa_344.004 Begriffe nach verwandt, vielleicht nah verwandt, aber doch in dieser pwa_344.005 oder jener Beziehung wieder unterschieden sind, wenn man also pwa_344.006 synonyma ohne weiteres eins für das andere gebraucht: ein Fehler, pwa_344.007 der sich auch am häufigsten da ereignet, wo er auch am gefährlichsten pwa_344.008 ist, wo er der Deutlichkeit den meisten Schaden thut, in pwa_344.009 der lehrhaften Prosa: denn natürlich wird man nichts so leicht verwechseln pwa_344.010 als synonyme abstracta. Es bedarf diess keiner weiteren pwa_344.011 Ausführung und keiner Beispiele. pwa_344.012 Eine siebente Unangemessenheit ist der Pleonasmus; er entsteht, pwa_344.013 wenn man einen Begriff, der schon in einem andern enthalten ist, pwa_344.014 noch für sich besonders bezeichnet. Beispiele: alter Greis, armer pwa_344.015 Bettler, tapferer Held, etwas noch einmal wiederholen, ich beschränke pwa_344.016 mich nur darauf, nicht länger mehr, weiter fortfahren, etwas gewöhnlich pwa_344.017 zu thun pflegen, los lösen, voll füllen. Ebenso ist es ein Pleonasmus, pwa_344.018 wenn Platen (LB. 2, 1717, 18) sagt: „Der Väter sonst'gen pwa_344.019 Ruhm.“ Eine solche Häufung stört die Deutlichkeit, indem sie ermüdet, pwa_344.020 und äfft den Verstand, der mit jedem neuen Worte auch einen neuen pwa_344.021 Begriff erwartet und dafür mit dem neuen Worte auf den alten Fleck pwa_344.022 zurückgeschoben wird. pwa_344.023 Nah verwandt ist dem Pleonasmus ein achter Fehler, die Tautologie. pwa_344.024 Nur wird hier nicht neben dem weiteren Begriff noch der mehr pwa_344.025 besondere eigens und einzeln hingestellt, sondern es wird gradezu ein pwa_344.026 und derselbe Begriff zwei- oder mehrmal wiederholt: z. B. „Nur wenigen pwa_344.027 gelingt es, sich die allgemeine Liebe und Achtung aller Menschen pwa_344.028 zu erwerben;“ ferner: einzig und allein, ehe und bevor, sintemal und pwa_344.029 alldieweil, einander gegenseitig, so also, nur allein, bereits schon, pwa_344.030 wieder zurück, mein Hut, den ich gekauft habe. Vgl. LB. 2, 1725, 29: pwa_344.031 „Wenn lallenden Tons sie zu stammeln begann die gestotterte Phrase pwa_344.032 der Unkunst.“ pwa_344.033 Ein neunter Fehler endlich, der mit dem achten beinahe ganz pwa_344.034 zusammenfällt und ohne sonderlichen Schaden auch mit zu diesem pwa_344.035 kann gezählt werden, ist die Anhäufung von Synonymen. Freilich pwa_344.036 sagen Synonymen, genau betrachtet, niemals ganz dasselbe aus, das pwa_344.037 eine wird immer mehr, das andere weniger von dem gemeinten pwa_344.038 Begriffe, das eine wird ihn von dieser, das andere von jener Seite pwa_344.039 zeigen, und in so fern wird auch die Anhäufung von Synonymen niemals pwa_344.040 eine wirkliche Tautologie sein. Gleichwohl giebt es synonyma, pwa_344.041 zwischen denen die Grenzen so unvermerkt laufen, dass auch eine

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Zitationshilfe: Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackernagel_poetik_1873/362>, abgerufen am 22.11.2024.