pwa_328.001 und fallen so leicht in einander, wie Wörterbuch und Grammatik. pwa_328.002 Es kann z. B. ein Ausdruck dadurch gegen die Sprachreinheit verstossen, pwa_328.003 dass er veraltet ist; das Veraltete kann aber sehr wohl nur pwa_328.004 darin bestehn, dass er nicht gebildet ist nach der Weise der jetzigen pwa_328.005 Sprache. Es wird aber zum Behufe der Deutlichkeit Reinheit und pwa_328.006 Richtigkeit im Ausdruck gefordert, weil nichts so sehr von vorn herein pwa_328.007 das Verstehn erschwert, ja sogar vorübergehend unmöglich macht und pwa_328.008 aufhebt, als wenn Worte und Wendungen vorkommen, die entweder pwa_328.009 einer gänzlich fremden, unverständlichen Sprache angehören, oder pwa_328.010 obgleich der heimischen Sprache, doch einem Zeitalter oder einem pwa_328.011 Dialect derselben, in welchem sie ebenfalls für uns nichts viel Besseres pwa_328.012 als eine fremde ist, oder wenn die Worte auf eine Art flectiert werden, pwa_328.013 die gradezu unerhört und unmöglich ist, oder wenigstens an pwa_328.014 diesem Orte falsch und dadurch das Verständniss irre leitend. Diese pwa_328.015 erste Regel der Reinheit und Richtigkeit ist in sich durchaus negativer pwa_328.016 Natur, und wir können sie deshalb nur abhandeln, indem wir von pwa_328.017 den verschiedenen Verstössen reden, die gegen sie möglich sind. Die pwa_328.018 alten Rhetoriker und Grammatiker theilten diese Fehler und Verstösse pwa_328.019 in zwei Classen: Barbarismen und Solöcismen. Sie unterscheiden sich pwa_328.020 so, dass der Barbarismus, d. h. Fremdartigkeit, gegen die Reinheit pwa_328.021 der Sprache fehlt, der Solöcismus (von Soli, einer Stadt in Cilicien, pwa_328.022 deren Einwohner ein sehr verdorbenes Griechisch sollen gesprochen pwa_328.023 haben) allgemein betrachtet gegen die Richtigkeit derselben. So haben pwa_328.024 die Alten selbst den Begriff des einen und des anderen Wortes aufgefasst pwa_328.025 und bestimmt: es mag in dieser Beziehung namentlich auf pwa_328.026 Quintilian (1, 5) verwiesen werden. Barbarismen sind nach der Auseinandersetzung pwa_328.027 Quintilians und Anderer solche Fehler, die in einzelnen pwa_328.028 Worten für sich betrachtet liegen, nämlich die Einmischung fremdartiger pwa_328.029 Worte, die einer ganz anderen Sprache angehören, die sprachwidrige pwa_328.030 Weglassung nothwendiger oder die sprachwidrige Hinzusetzung pwa_328.031 überflüssiger Buchstaben oder Silben, oder die Vertauschung und Versetzung pwa_328.032 von Buchstaben und Silben. Die Solöcismen dagegen zeigen pwa_328.033 sich bei Worten, insofern sie mit anderen in Verbindung stehn, also pwa_328.034 Unrichtigkeiten im Gebrauch des numerus, des casus, des tempus, pwa_328.035 des modus, fehlerhafte Beugungen und Constructionen, sprach- und pwa_328.036 gedankenwidrige Ellipsen oder Pleonasmen. Das Gebiet des Solöcismus pwa_328.037 erstreckt sich somit doch theilweise noch hinaus über die Unrichtigkeit pwa_328.038 der einzelnen Worte und Wortformen an und für sich; es wird pwa_328.039 auch Vieles so genannt, womit man sich gegen die Verknüpfung und pwa_328.040 Anordnung der Worte verfehlt. Schon dieser Weitläuftigkeit und pwa_328.041 Unbestimmtheit wegen, die dem Begriffe des Solöcismus eigen ist,
pwa_328.001 und fallen so leicht in einander, wie Wörterbuch und Grammatik. pwa_328.002 Es kann z. B. ein Ausdruck dadurch gegen die Sprachreinheit verstossen, pwa_328.003 dass er veraltet ist; das Veraltete kann aber sehr wohl nur pwa_328.004 darin bestehn, dass er nicht gebildet ist nach der Weise der jetzigen pwa_328.005 Sprache. Es wird aber zum Behufe der Deutlichkeit Reinheit und pwa_328.006 Richtigkeit im Ausdruck gefordert, weil nichts so sehr von vorn herein pwa_328.007 das Verstehn erschwert, ja sogar vorübergehend unmöglich macht und pwa_328.008 aufhebt, als wenn Worte und Wendungen vorkommen, die entweder pwa_328.009 einer gänzlich fremden, unverständlichen Sprache angehören, oder pwa_328.010 obgleich der heimischen Sprache, doch einem Zeitalter oder einem pwa_328.011 Dialect derselben, in welchem sie ebenfalls für uns nichts viel Besseres pwa_328.012 als eine fremde ist, oder wenn die Worte auf eine Art flectiert werden, pwa_328.013 die gradezu unerhört und unmöglich ist, oder wenigstens an pwa_328.014 diesem Orte falsch und dadurch das Verständniss irre leitend. Diese pwa_328.015 erste Regel der Reinheit und Richtigkeit ist in sich durchaus negativer pwa_328.016 Natur, und wir können sie deshalb nur abhandeln, indem wir von pwa_328.017 den verschiedenen Verstössen reden, die gegen sie möglich sind. Die pwa_328.018 alten Rhetoriker und Grammatiker theilten diese Fehler und Verstösse pwa_328.019 in zwei Classen: Barbarismen und Solöcismen. Sie unterscheiden sich pwa_328.020 so, dass der Barbarismus, d. h. Fremdartigkeit, gegen die Reinheit pwa_328.021 der Sprache fehlt, der Solöcismus (von Soli, einer Stadt in Cilicien, pwa_328.022 deren Einwohner ein sehr verdorbenes Griechisch sollen gesprochen pwa_328.023 haben) allgemein betrachtet gegen die Richtigkeit derselben. So haben pwa_328.024 die Alten selbst den Begriff des einen und des anderen Wortes aufgefasst pwa_328.025 und bestimmt: es mag in dieser Beziehung namentlich auf pwa_328.026 Quintilian (1, 5) verwiesen werden. Barbarismen sind nach der Auseinandersetzung pwa_328.027 Quintilians und Anderer solche Fehler, die in einzelnen pwa_328.028 Worten für sich betrachtet liegen, nämlich die Einmischung fremdartiger pwa_328.029 Worte, die einer ganz anderen Sprache angehören, die sprachwidrige pwa_328.030 Weglassung nothwendiger oder die sprachwidrige Hinzusetzung pwa_328.031 überflüssiger Buchstaben oder Silben, oder die Vertauschung und Versetzung pwa_328.032 von Buchstaben und Silben. Die Solöcismen dagegen zeigen pwa_328.033 sich bei Worten, insofern sie mit anderen in Verbindung stehn, also pwa_328.034 Unrichtigkeiten im Gebrauch des numerus, des casus, des tempus, pwa_328.035 des modus, fehlerhafte Beugungen und Constructionen, sprach- und pwa_328.036 gedankenwidrige Ellipsen oder Pleonasmen. Das Gebiet des Solöcismus pwa_328.037 erstreckt sich somit doch theilweise noch hinaus über die Unrichtigkeit pwa_328.038 der einzelnen Worte und Wortformen an und für sich; es wird pwa_328.039 auch Vieles so genannt, womit man sich gegen die Verknüpfung und pwa_328.040 Anordnung der Worte verfehlt. Schon dieser Weitläuftigkeit und pwa_328.041 Unbestimmtheit wegen, die dem Begriffe des Solöcismus eigen ist,
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alten Rhetoriker und Grammatiker theilten diese Fehler und Verstösse pwa_328.019
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erstreckt sich somit doch theilweise noch hinaus über die Unrichtigkeit pwa_328.038
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Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackernagel_poetik_1873/346>, abgerufen am 26.11.2024.
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