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Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873

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diess ist nun auch der unausweichliche Stein des Anstosses für alle pwa_246.002
diejenigen Historiker, die endlich das allerausgedehnteste Gebiet zum pwa_246.003
Gegenstande ihrer Forschung haben, für die Universalhistoriker. Der pwa_246.004
Biograph kann in Bezug auf Einheit gar wohl Schritt halten mit dem pwa_246.005
Epiker; dem Specialhistoriker wird es schon in den meisten Fällen pwa_246.006
schwer bis nahe zur Unmöglichkeit; dem Universalhistoriker ist es pwa_246.007
gradezu unmöglich, denn einmal besitzt der Stoff, der vor ihm liegt, pwa_246.008
eine zu reiche Fülle, als dass er ihn zur Einheit bewältigen könnte; pwa_246.009
und sodann ist ja auch dieses weite Gebiet nach der einen Seite hin, pwa_246.010
auf der Seite, wo der Historiker selber steht, noch ganz unabgegrenzt; pwa_246.011
er hat vor sich einen weiten leeren Raum, in welchem nur Gott weiss, pwa_246.012
was Alles noch geschehen kann. Ihm gebricht nothwendiger Weise die pwa_246.013
Einheit der Idee sammt allen übrigen Einheiten, die zu ihr gehören; pwa_246.014
eine auf volle Erkenntniss der Idee basierte, eine eigentlich pragmatische pwa_246.015
Weltgeschichte kann erst am jüngsten Tage geschrieben werden: pwa_246.016
so dass auch in dieser Wendung das Wort Schillers gilt: "Die Weltgeschichte pwa_246.017
ist das Weltgericht."

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So viel wäre über die historischen Anschauungen zu bemerken pwa_246.019
gewesen und über die immer mehr und mehr sich ausdehnenden pwa_246.020
Gebiete, auf welche sie sich richtet, Biographie, Specialgeschichte, pwa_246.021
Universalgeschichte. Nun noch Einiges über die sprachliche Verkörperung pwa_246.022
der historischen Anschauungen, über die historische Darstellung.

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Hier kommt Alles auf Ein Grundgesetz hinaus, das der Historiker pwa_246.025
mit dem Epiker gemein hat: auch von ihm wird strenge Objectivität pwa_246.026
gefordert, und von ihm um so mehr, da die Wahrheit, auf welche es pwa_246.027
in der Geschichtsschreibung abgesehen ist, bei Verletzung der Objectivität pwa_246.028
offenbar noch weit mehr leiden würde als jene in der Schönheit pwa_246.029
beruhende Wahrheit der epischen Anschauungen. Es muss also der pwa_246.030
Historiker vor allen Dingen nur erzählen, nichts aber einmischen, das pwa_246.031
den Gang der Erzählung irgendwie unterbrechen könnte. Er soll pwa_246.032
erzählen, d. h. die als wahr erforschten Thatsachen in ihrem ununterbrochenen pwa_246.033
Verlaufe darstellen. Da darf also erstens die Forschung, pwa_246.034
die der Darstellung vorangehen soll, nicht mit in dieselbe übergehn. pwa_246.035
Zwar giebt es Gebiete genug innerhalb des weiten Bereiches der pwa_246.036
Geschichtsschreibung, in denen es zur Zeit noch unmöglich ist und pwa_246.037
wohl immer unmöglich bleiben wird, die Darstellung ganz rein zu pwa_246.038
halten von den Uebergriffen der Forschung und die Resultate der pwa_246.039
Untersuchung zu geben, ohne zugleich die Untersuchung selbst vor pwa_246.040
Auge und Ohr des Lesers zu führen. Indessen wird man doch dergleichen pwa_246.041
immer nur als eine Verschmelzung historischer und didactischer

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diejenigen Historiker, die endlich das allerausgedehnteste Gebiet zum pwa_246.003
Gegenstande ihrer Forschung haben, für die Universalhistoriker. Der pwa_246.004
Biograph kann in Bezug auf Einheit gar wohl Schritt halten mit dem pwa_246.005
Epiker; dem Specialhistoriker wird es schon in den meisten Fällen pwa_246.006
schwer bis nahe zur Unmöglichkeit; dem Universalhistoriker ist es pwa_246.007
gradezu unmöglich, denn einmal besitzt der Stoff, der vor ihm liegt, pwa_246.008
eine zu reiche Fülle, als dass er ihn zur Einheit bewältigen könnte; pwa_246.009
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auf der Seite, wo der Historiker selber steht, noch ganz unabgegrenzt; pwa_246.011
er hat vor sich einen weiten leeren Raum, in welchem nur Gott weiss, pwa_246.012
was Alles noch geschehen kann. Ihm gebricht nothwendiger Weise die pwa_246.013
Einheit der Idee sammt allen übrigen Einheiten, die zu ihr gehören; pwa_246.014
eine auf volle Erkenntniss der Idee basierte, eine eigentlich pragmatische pwa_246.015
Weltgeschichte kann erst am jüngsten Tage geschrieben werden: pwa_246.016
so dass auch in dieser Wendung das Wort Schillers gilt: „Die Weltgeschichte pwa_246.017
ist das Weltgericht.“

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So viel wäre über die historischen Anschauungen zu bemerken pwa_246.019
gewesen und über die immer mehr und mehr sich ausdehnenden pwa_246.020
Gebiete, auf welche sie sich richtet, Biographie, Specialgeschichte, pwa_246.021
Universalgeschichte. Nun noch Einiges über die sprachliche Verkörperung pwa_246.022
der historischen Anschauungen, über die historische Darstellung.

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Hier kommt Alles auf Ein Grundgesetz hinaus, das der Historiker pwa_246.025
mit dem Epiker gemein hat: auch von ihm wird strenge Objectivität pwa_246.026
gefordert, und von ihm um so mehr, da die Wahrheit, auf welche es pwa_246.027
in der Geschichtsschreibung abgesehen ist, bei Verletzung der Objectivität pwa_246.028
offenbar noch weit mehr leiden würde als jene in der Schönheit pwa_246.029
beruhende Wahrheit der epischen Anschauungen. Es muss also der pwa_246.030
Historiker vor allen Dingen nur erzählen, nichts aber einmischen, das pwa_246.031
den Gang der Erzählung irgendwie unterbrechen könnte. Er soll pwa_246.032
erzählen, d. h. die als wahr erforschten Thatsachen in ihrem ununterbrochenen pwa_246.033
Verlaufe darstellen. Da darf also erstens die Forschung, pwa_246.034
die der Darstellung vorangehen soll, nicht mit in dieselbe übergehn. pwa_246.035
Zwar giebt es Gebiete genug innerhalb des weiten Bereiches der pwa_246.036
Geschichtsschreibung, in denen es zur Zeit noch unmöglich ist und pwa_246.037
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Zitationshilfe: Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackernagel_poetik_1873/264>, abgerufen am 22.11.2024.