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Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797.

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unbefangen und ihrem Willen überlassen, mit
einander sprachen, oder wann ein heftiges
Gezänk entstand, oder ihm sonst menschliche
Affekten und Gemüthsbewegungen in ihrem
vollen Leben und ihrer ganzen Kraft in den
Weg kamen, so versäumte er niemals, sich
die Umrisse und die Zusammenfügung der
Theile zum Ganzen wohl zu merken. Auch
betrachtete er, was manchem lächerlich vor¬
kommen mag, oft lange und ganz in sich
verloren, altes Gemäuer, worauf die Zeit
mit allerley wunderbaren Figuren und Far¬
ben gespielt hatte, oder vielfarbige Steine
mit irgend seltsamen Zeichnungen. Daraus
sprang ihm dann, während des unverrück¬
ten Anschauens, manche schöne Idee von
Landschaften, oder Schlachtgewimmel, oder
fremden Stellungen und Gesichtern hervor.
Darum giebt er auch in seinem Buche selbst
die Regel, dergleichen zur Ergetzung fleißig

unbefangen und ihrem Willen überlaſſen, mit
einander ſprachen, oder wann ein heftiges
Gezänk entſtand, oder ihm ſonſt menſchliche
Affekten und Gemüthsbewegungen in ihrem
vollen Leben und ihrer ganzen Kraft in den
Weg kamen, ſo verſäumte er niemals, ſich
die Umriſſe und die Zuſammenfügung der
Theile zum Ganzen wohl zu merken. Auch
betrachtete er, was manchem lächerlich vor¬
kommen mag, oft lange und ganz in ſich
verloren, altes Gemäuer, worauf die Zeit
mit allerley wunderbaren Figuren und Far¬
ben geſpielt hatte, oder vielfarbige Steine
mit irgend ſeltſamen Zeichnungen. Daraus
ſprang ihm dann, während des unverrück¬
ten Anſchauens, manche ſchöne Idee von
Landſchaften, oder Schlachtgewimmel, oder
fremden Stellungen und Geſichtern hervor.
Darum giebt er auch in ſeinem Buche ſelbſt
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[73/0081] unbefangen und ihrem Willen überlaſſen, mit einander ſprachen, oder wann ein heftiges Gezänk entſtand, oder ihm ſonſt menſchliche Affekten und Gemüthsbewegungen in ihrem vollen Leben und ihrer ganzen Kraft in den Weg kamen, ſo verſäumte er niemals, ſich die Umriſſe und die Zuſammenfügung der Theile zum Ganzen wohl zu merken. Auch betrachtete er, was manchem lächerlich vor¬ kommen mag, oft lange und ganz in ſich verloren, altes Gemäuer, worauf die Zeit mit allerley wunderbaren Figuren und Far¬ ben geſpielt hatte, oder vielfarbige Steine mit irgend ſeltſamen Zeichnungen. Daraus ſprang ihm dann, während des unverrück¬ ten Anſchauens, manche ſchöne Idee von Landſchaften, oder Schlachtgewimmel, oder fremden Stellungen und Geſichtern hervor. Darum giebt er auch in ſeinem Buche ſelbſt die Regel, dergleichen zur Ergetzung fleißig

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Zitationshilfe: Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/81>, abgerufen am 26.11.2024.