doch sehen Eure Köpfe, wenn man sie zum erstenmal betrachtet, beynahe leichter aus, als andre; denn sie haben ein gar zu natür¬ liches Ansehen, und es ist, als wenn man darin die Personen, die es seyn sollen, gleich erkennte, und als wenn man sie schon leben¬ dig gesehen hätte. Auch finde ich bey Euch nicht eben solche schwere und außerordent¬ liche Verkürzungen der Glieder, womit wohl andre Meister heutiges Tages die Vollkom¬ menheit ihrer Kunst zu zeigen, und uns arme Schüler zu quälen pflegen."
"Darum, so viel ich auch immer nachge¬ grübelt habe, weiß ich mir doch durchaus das Besondere nicht zu erklären, was Eure Bilder an sich haben, und kann gar nicht ergründen, worin es eigentlich liegt, daß man Euch nicht recht nachahmen, und Euch nie ganz und gar erreichen kann. O leistet mir hierin Euren Beystand, -- ich bitte Euch
doch ſehen Eure Köpfe, wenn man ſie zum erſtenmal betrachtet, beynahe leichter aus, als andre; denn ſie haben ein gar zu natür¬ liches Anſehen, und es iſt, als wenn man darin die Perſonen, die es ſeyn ſollen, gleich erkennte, und als wenn man ſie ſchon leben¬ dig geſehen hätte. Auch finde ich bey Euch nicht eben ſolche ſchwere und außerordent¬ liche Verkürzungen der Glieder, womit wohl andre Meiſter heutiges Tages die Vollkom¬ menheit ihrer Kunſt zu zeigen, und uns arme Schüler zu quälen pflegen.«
»Darum, ſo viel ich auch immer nachge¬ grübelt habe, weiß ich mir doch durchaus das Beſondere nicht zu erklären, was Eure Bilder an ſich haben, und kann gar nicht ergründen, worin es eigentlich liegt, daß man Euch nicht recht nachahmen, und Euch nie ganz und gar erreichen kann. O leiſtet mir hierin Euren Beyſtand, — ich bitte Euch
<TEI><text><body><divn="1"><floatingText><body><div><p><pbfacs="#f0054"n="46"/>
doch ſehen Eure Köpfe, wenn man ſie zum<lb/>
erſtenmal betrachtet, beynahe leichter aus,<lb/>
als andre; denn ſie haben ein gar zu natür¬<lb/>
liches Anſehen, und es iſt, als wenn man<lb/>
darin die Perſonen, die es ſeyn ſollen, gleich<lb/>
erkennte, und als wenn man ſie ſchon leben¬<lb/>
dig geſehen hätte. Auch finde ich bey Euch<lb/>
nicht eben ſolche ſchwere und außerordent¬<lb/>
liche Verkürzungen der Glieder, womit wohl<lb/>
andre Meiſter heutiges Tages die Vollkom¬<lb/>
menheit ihrer Kunſt zu zeigen, und uns arme<lb/>
Schüler zu quälen pflegen.«</p><lb/><p>»Darum, ſo viel ich auch immer nachge¬<lb/>
grübelt habe, weiß ich mir doch durchaus<lb/>
das Beſondere nicht zu erklären, was Eure<lb/>
Bilder an ſich haben, und kann gar nicht<lb/>
ergründen, worin es eigentlich liegt, daß<lb/>
man Euch nicht recht nachahmen, und Euch<lb/>
nie ganz und gar erreichen kann. O leiſtet<lb/>
mir hierin Euren Beyſtand, — ich bitte Euch<lb/></p></div></body></floatingText></div></body></text></TEI>
[46/0054]
doch ſehen Eure Köpfe, wenn man ſie zum
erſtenmal betrachtet, beynahe leichter aus,
als andre; denn ſie haben ein gar zu natür¬
liches Anſehen, und es iſt, als wenn man
darin die Perſonen, die es ſeyn ſollen, gleich
erkennte, und als wenn man ſie ſchon leben¬
dig geſehen hätte. Auch finde ich bey Euch
nicht eben ſolche ſchwere und außerordent¬
liche Verkürzungen der Glieder, womit wohl
andre Meiſter heutiges Tages die Vollkom¬
menheit ihrer Kunſt zu zeigen, und uns arme
Schüler zu quälen pflegen.«
»Darum, ſo viel ich auch immer nachge¬
grübelt habe, weiß ich mir doch durchaus
das Beſondere nicht zu erklären, was Eure
Bilder an ſich haben, und kann gar nicht
ergründen, worin es eigentlich liegt, daß
man Euch nicht recht nachahmen, und Euch
nie ganz und gar erreichen kann. O leiſtet
mir hierin Euren Beyſtand, — ich bitte Euch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/54>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.