Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

aber wie fremd und herbe kamen mir gleich
die ersten Lehrjahre an! Wie war mir zu
Muth, als ich hinter den Vorhang trat!
Daß alle Melodieen, (hatten sie auch die
heterogensten und oft die wunderbarsten Em¬
pfindungen in mir erzeugt,) alle sich nun auf
einem einzigen, zwingenden mathematischen
Gesetze gründeten! Daß ich, statt frey zu
fliegen, erst lernen mußte, in dem unbehülf¬
lichen Gerüst und Käfig der Kunstgrammatik
herum zu klettern! Wie ich mich quälen
mußte, erst mit dem gemeinen Wissenschaft¬
lichen Maschinen-Verstande ein regelrechtes
Ding heraus zu bringen, eh' ich dran den¬
ken konnte, mein Gefühl mit den Tönen zu
handhaben! -- Es war eine mühselige Me¬
chanik. -- Doch wenn auch! ich hatte noch
jugendliche Spannkraft, und hoffte und hoffte
auf die herrliche Zukunft! Und nun? --

R

aber wie fremd und herbe kamen mir gleich
die erſten Lehrjahre an! Wie war mir zu
Muth, als ich hinter den Vorhang trat!
Daß alle Melodieen, (hatten ſie auch die
heterogenſten und oft die wunderbarſten Em¬
pfindungen in mir erzeugt,) alle ſich nun auf
einem einzigen, zwingenden mathematiſchen
Geſetze gründeten! Daß ich, ſtatt frey zu
fliegen, erſt lernen mußte, in dem unbehülf¬
lichen Gerüſt und Käfig der Kunſtgrammatik
herum zu klettern! Wie ich mich quälen
mußte, erſt mit dem gemeinen Wiſſenſchaft¬
lichen Maſchinen-Verſtande ein regelrechtes
Ding heraus zu bringen, eh' ich dran den¬
ken konnte, mein Gefühl mit den Tönen zu
handhaben! — Es war eine mühſelige Me¬
chanik. — Doch wenn auch! ich hatte noch
jugendliche Spannkraft, und hoffte und hoffte
auf die herrliche Zukunft! Und nun? —

R
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0265" n="257"/>
aber wie fremd und herbe kamen mir gleich<lb/>
die er&#x017F;ten Lehrjahre an! Wie war mir zu<lb/>
Muth, als ich hinter den Vorhang trat!<lb/>
Daß alle Melodieen, (hatten &#x017F;ie auch die<lb/>
heterogen&#x017F;ten und oft die wunderbar&#x017F;ten Em¬<lb/>
pfindungen in mir erzeugt,) alle &#x017F;ich nun auf<lb/>
einem einzigen, zwingenden mathemati&#x017F;chen<lb/>
Ge&#x017F;etze gründeten! Daß ich, &#x017F;tatt frey zu<lb/>
fliegen, er&#x017F;t lernen mußte, in dem unbehülf¬<lb/>
lichen Gerü&#x017F;t und Käfig der Kun&#x017F;tgrammatik<lb/>
herum zu klettern! Wie ich mich quälen<lb/>
mußte, er&#x017F;t mit dem gemeinen Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft¬<lb/>
lichen Ma&#x017F;chinen-Ver&#x017F;tande ein regelrechtes<lb/>
Ding heraus zu bringen, eh' ich dran den¬<lb/>
ken konnte, mein Gefühl mit den Tönen zu<lb/>
handhaben! &#x2014; Es war eine müh&#x017F;elige Me¬<lb/>
chanik. &#x2014; Doch wenn auch! ich hatte noch<lb/>
jugendliche Spannkraft, und hoffte und hoffte<lb/>
auf die herrliche Zukunft! Und nun? &#x2014;</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">R<lb/></fw>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[257/0265] aber wie fremd und herbe kamen mir gleich die erſten Lehrjahre an! Wie war mir zu Muth, als ich hinter den Vorhang trat! Daß alle Melodieen, (hatten ſie auch die heterogenſten und oft die wunderbarſten Em¬ pfindungen in mir erzeugt,) alle ſich nun auf einem einzigen, zwingenden mathematiſchen Geſetze gründeten! Daß ich, ſtatt frey zu fliegen, erſt lernen mußte, in dem unbehülf¬ lichen Gerüſt und Käfig der Kunſtgrammatik herum zu klettern! Wie ich mich quälen mußte, erſt mit dem gemeinen Wiſſenſchaft¬ lichen Maſchinen-Verſtande ein regelrechtes Ding heraus zu bringen, eh' ich dran den¬ ken konnte, mein Gefühl mit den Tönen zu handhaben! — Es war eine mühſelige Me¬ chanik. — Doch wenn auch! ich hatte noch jugendliche Spannkraft, und hoffte und hoffte auf die herrliche Zukunft! Und nun? — R

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/265
Zitationshilfe: Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/265>, abgerufen am 22.11.2024.